Der Weltkrieg am 28. Oktober 1918

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Amerikanische Angriffe an der Maas abgewiesen

Großes Hauptquartier, 28. Oktober.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht:
Keine größeren Kampfhandlungen. Südwestlich von Deinze, östlich von Avelgem und bei Artres (südlich der Schelde) wiesen wir feindliche Angriffe ab. Bei Säuberung einzelner Engländernester bei Famars und bei Englefontaine machten wir Gefangene.
Heeresgruppe Deutscher Kronprinz:
Übergangsversuche des Feindes über den Oise-Kanal bei Topigny wurden vereitelt. Zwischen Oise und Serre nahmen wir in vorletzter Nacht unsere in dem vorspringenden Bogen zwischen Origny und La Ferté stehenden Truppen in die Linie westlich von Guise - östlich von Crecy an der Serre zurück. Der Feind griff gestern unsere neuen Linien südlich von Guise an; unter Einbuße zahlreicher Panzerwagen wurde er abgewiesen. Im Souche-Abschnitt scheiterten am frühen Morgen erneute Angriffe der Franzosen zwischen Froidmont und Pierrepont. Westlich der Aisne fanden gestern nur örtliche Kämpfe statt. Feindliche Angriffe gegen unsere auf dem Südufer der Aisne südöstlich von Rethel und bei Rilly stehenden Truppen wurden abgewiesen. Auf den Aisne-Höhen östlich von Vouziers nahm der Artilleriekampf am Abend in Verbindung mit erfolglosem Angriff des Gegners östlich von Chestres vorübergehend große Stärke an.
Heeresgruppe Gallwitz:
Auf den Höhen östlich der Maas wiesen wir Angriffe der Amerikaner am Walde von Consenvoye und am Ormont-Walde ab.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Die eingeleiteten Bewegungen wurden planmäßig weitergeführt. Südlich von Rudnik und Topola erfolgreiche Nachhutkämpfe. Beiderseits der Morawa besteht nur geringe Gefechtsfühlung mit dem Feinde.

Der Chef des Generalstabes des Feldheeres. 1)

 

Heftige Teilangriffe an der Westfront gescheitert

Berlin, 28. Oktober, abends. (Amtlich.) 
Keine größeren Kämpfe. Südlich der Schelde, am Oise-Kanal und im Souche-Abschnitt scheiterten heftige Teilangriffe des Gegners.
1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Wien, 28. Oktober.
Amtlich wird verlautbart:
Italienischer Kriegsschauplatz:
In den Sieben Gemeinden blieb die Kampftätigkeit des Gegners auch gestern auf einzelne Vorstöße beschränkt, die abgewiesen wurden.
Östlich der Brenta tobt auf 60 Kilometer Frontbreite eine große Schlacht.
Im Gebirge zwischen der Brenta und der Piave scheiterten wieder alle Anstürme des Feindes, mochten sie mit noch so starken Kräften geführt worden sein. Die südlich der Fontana Secca an die Italiener verlorene Sternkuppe wurde im Gegenangriff zurückerobert, wobei ein großer Teil der Besatzung in der Hand unserer Braven blieb.
Unter unseren tapferen Truppen haben sich in diesen Kämpfen besonders ausgezeichnet die Infanterie-Regimenter Nr. 7 (Klagenfurt), 39 (Debreczin), 47 (Marburg), 47 (St. Polten), 73 (Eger), 120 (Westgalizianer), 139 (neues ungarisches Regiment), das ungarische Sturmbataillon Nr. 17, das kroatische Nr. 42, das Wiener Schützen-Regiment Nr. 1 und das kroatische Landwehr-Regiment Nr. 28. Neuerliche Anerkennung verdienen wieder die Artillerie-, unsere Infanterie- und die Schlachtflieger.
An der Piave hat nach heftigster Artillerievorbereitung in der Nacht zum 27. der Ententeangriff eingesetzt. Bei Valdobbiadene vermochten schwächere feindliche Abteilungen das linke Ufer zu gewinnen. Sie wurden zum größten Teile zurückgedrückt. Bei Bagolino und Vidor wurden Übergangsversuche durch unser Abwehrfeuer zum Scheitern gebracht.
Abwärts von Vidor gelang es dem Feinde, mit stärkeren Kräften den Übergang zu gewinnen. Unsere Truppen warfen sich ihm im Gegenangriff entgegen. Abends wurde bei den Dörfern Moriago und Serraglia gekämpft.
Gegenüber dem Nordostufer des Montello blieben die Übergangsversuche der Italiener ohne Erfolg.
Von Papadopoli aus stießen die Engländer bis Tezze und San Polo di Piave vor. Die 2 bis 3 Kilometer tiefe Einbruchsstelle wurde durch unsere um jeden Fußbreit Boden tapfer fechtenden Truppen in den Flanken abgeriegelt.
Neue Kämpfe sind seit heute früh an der Piave im Gange.
Balkan-Kriegsschauplatz:
Bei Alessio an der albanischen Küste Nachhutenkämpfe.
An der mittleren Adria kam es zu Zusammenstößen zwischen unseren Sicherungstruppen und starken Banden.
Das Zurücknehmen unserer Truppen in Serbien erfolgte ohne Störung durch den Gegner. Die Gefechtsfühlung bestand gestern nur nördlich von Kragujevac.

  Der Chef des Generalstabes.

 

Sonderfriedensbereitschaft Österreich-Ungarns - Antwortnote Andrassys an Wilson

Graf Andrassy
Graf Andrassy

Wien, 28. Oktober.
Der Minister des Äußeren Graf Andrassy hat gestern den österreichisch-ungarischen Gesandten in Stockholm beauftragt, die königlich schwedische Regierung zu ersuchen, der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika nachstehende Antwort auf deren Note vom 18. Oktober zu übermitteln:
In Beantwortung der an die österreichisch-ungarische Regierung gerichteten Note des Herrn Präsidenten Wilson vom 12. im Sinne des Entschlusses des Herrn Präsidenten, mit Österreich-Ungarn besonders über die Frage des Waffenstillstandes und des Friedens zu sprechen, beehrt sich die österreichisch-ungarische Regierung zu erklären, daß sie ebenso wie den früheren Kundgebungen des Herrn Präsidenten auch seiner in der letzten Note enthaltenen Auffassung über die Rechte der Völker Österreich-Ungarns, speziell über jene der Tschecho-Slowaken und der Jungslawen zustimmt. Da somit Österreich -Ungarn sämtliche Bedingungen angenommen hat, von welchen der Herr Präsident den Eintritt in Verhandlungen über den Waffenstillstand und den Frieden abhängig gemacht hat, steht nach Ansicht der österreichisch-ungarischen Regierung dem Beginn dieser Verhandlungen nichts mehr im Wege. Die österreichisch-ungarische Regierung erklärt sich daher bereit, ohne das Ergebnis anderer Verhandlungen abzuwarten, in Verhandlungen über den Frieden zwischen Österreich-Ungarn und den gegnerischen Staaten und über einen sofortigen Waffenstillstand auf allen Fronten Österreich-Ungarns einzutreten und bittet den Herrn Präsidenten Wilson, die diesbezüglichen Einleitungen treffen zu wollen.
Ferner hat der Minister des Äußeren Graf Andrassy an den Staatssekretär Lansing folgendes Telegramm gerichtet:
Sofort nach Übernahme der Leitung des Ministeriums des Äußeren habe ich eine offizielle Antwort auf Ihre Note vom 18. Oktober abgesandt, aus welcher Sie entnehmen werden, daß wir in allen Punkten die Grundsätze annehmen, welche der Präsident der Vereinigten Staaten in seinen verschiedenen Erklärungen aufgestellt hat. In voller Übereinstimmung mit den Bestrebungen Herrn Wilsons zur Sicherung vor künftigen Kriegen und zur Schaffung einer Völkerfamilie haben wir bereits Vorbereitungen getroffen, damit die Völker Österreichs und Ungarns ihre künftige Gestaltung nach eigenem Wunsche gänzlich unbehindert bestimmen und vollziehen können.
Seit dem Regierungsantritt des Kaisers und Königs Karl war es sein unentwegtes Bestreben, das Ende des Krieges herbeizuführen. Mehr als je ist das heute der Wunsch des Herrschers und aller Völker Österreichs und Ungarns. die von der Überzeugung durchdrungen sind , daß ihr künftiges Schicksal nur in einer friedlichen Welt, frei von Erschütterungen, Prüfungen, Entbehrungen und Bitternissen des Krieges gestaltet werden könne. Ich wende mich deshalb direkt an Sie, Herr Staatssekretär, mit der Bitte, bei dem Herrn Präsidenten der Vereinigten Staaten dahin wirken zu wollen, daß im Interesse der Humanität, sowie im Interesse aller Völker, die in Österreich und Ungarn leben, der sofortige Waffenstillstand an allen Fronten Österreich-Ungarns herbeigeführt werde und die Einleitung von Friedensverhandlungen erfolge.

 

Proklamation des tschecho-slowakischen Staates

In einem in tschechischer Sprache abgefaßten Zirkulartelegramm "An alle" wurde am 28. Oktober folgende Anordnung des Dr. Zahradnik bekanntgegeben:

"Die Proklamation des tschechoslowakischen Staates hat bei der Säule des heiligen Wenzel auf dem Wenzelsplatz in Prag um 11 Uhr vormittags stattgefunden. Sofort alle Abzeichen des gewesenen österreichischen Staates entfernen! Alle Sendungen in Wagenladungen und alle Stückgüter befördern! Nach Wien und nach Deutschland sofort alles aufhalten! Nach Prag ist der Verkehr telegraphisch anzumelden wegen Disposition durch den Nationalrat. Der Verkehr im Inlande ist ohne Unterbrechung in gutem Zustande zu erhalten. Es lebe der tschechische Staat. Na zdar . Unterschrift: Dr. Zahradnik."

Das erste Gesetz des Nationalausschusses

Das tschecho-slowakische Pressebureau teilt mit:

Gesetzerlaß vom Nationalausschuß:
Am 28. Oktober ist der selbständige Staat ins Leben getreten. Um die Kontinuität der bisherigen Rechtsordnung mit dem neuen Zustand aufrechtzuerhalten und Wirren zu vermeiden und den ungestörten Übergang zu dem neuen staatlichen Leben zu regeln, ordnet der Nationalrat namens des tschechischen Volkes als Vollzugsausschuß der staatlichen Hoheitsgewalt an:
1. Die Staatsform wird bestimmt von der Nationalversammlung in Gemeinschaft mit dem tschecho-slowakischen Nationalrat in Paris als Organ des Volkswillens. Bis dahin übt die staatliche Oberhoheit innerhalb des Staates der Nationalrat aus.
2. Alle bisherigen Landes- und Reichsgesetze, sowie Verordnungen bleiben provisorisch in Geltung.
3. Alle autonomen staatlichen und Gemeindebehörden, Bezirks-, Gau- und Gemeindeanstalten sind dem Nationalausschusse unterstellt und amtieren provisorisch nach den bisher geltenden Gesetzen und Verordnungen.
4. Das Gesetz tritt am heutigen Tage in Kraft. Das Präsidium des Nationalrates wird mit der Durchführung beauftragt.
Gegeben in Prag, am 28. Oktober 1918.
gez. Anton Svehla, Dr. Stribrny, Dr. Sonkup, Dr. Vavra,
Dr. Ralsin und Sraubar.

 

Sonderfriedensverhandlungen der Türkei

Konstantinopel, 28. Oktober. 
Das Blatt "Akscham" meldete gestern von berufener Seite, daß offizielle Verhandlungen der Türkei mit der Entente begonnen hätten. Delegierte seien mit General Townshend abgereist. Die Nachricht beschäftigt die heutige Presse und wird meist in anerkennendem Sinne besprochen. Viele geben sogar schon die Bedingungen bekannt. "Tanin" erklärt dagegen alle derartigen Nachrichten, auch aus offizieller Quelle, als reine Vermutungen. Es ist anzunehmen, daß eine amtliche Persönlichkeit derartige Meldungen gegeben hatte, um das aufgeregte Publikum zu beruhigen. Wahr scheint es zu sein, daß Verhandlungen inoffiziell eingeleitet sind. Eine feindliche Gegenäußerung ist gestern eingelaufen.
1)

 

Der 1. Weltkrieg im Oktober 1918

ZURÜCK   HAUPTSEITE   WEITER

 

Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 8
Nationaler Verlag, Berlin (1918)

 

© 2005 stahlgewitter.com