Der Weltkrieg am 6. November 1918

DEUTSCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Die neuen Stellungen zwischen Schelde und Maas

Oberleutnant Bolle
Oberleutnant Bolle

Großes Hauptquartier, 6. November.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Infanteriekämpfe in der Schelde-Niederung. Auf dem Schlachtfelde zwischen der Schelde und der Oise haben wir uns vom Gegner abgesetzt. Der Feind, der gestern nach stärkstem Artilleriefeuer seine Angriffe wieder aufnehmen wollte, stieß auf geräumte Stellungen. Bei seinem weiteren Vorgehen wurde er durch unsere Nachhuten in Einzelkämpfe verwickelt, die im Walde von Mormal und südöstlich von Landrecies größeren Umfang annahmen. Der Feind stand am Abend westlich von Bavai, am Ostrande des Waldes von Mormal, östlich von Landrecies und östlich von Guise. Auch zwischen der Oise und der Maas haben wir größere Bewegungen durchgeführt. Der Gegner ist im Laufe des Tages gefolgt und hat westlich der Aisne die allgemeine Linie Marle-Dizy le Gros-Ecly erreicht. Östlich der Aisne standen wir mit ihm nördlich von Le Chesne und westlich von Beaumont in Gefechtsfühlung. Stärkere Angriffe des Feindes bei Beaumont und Letarre wurden abgewiesen. Südlich von Dun stieß der Amerikaner unter heftigem Feuerschutz über die Maas und drang in die Waldungen auf den östlichen Maashöhen zwischen Milly und Vilosnes ein. Das sächsische Jäger-Regiment Nr. 7 warf den in der Mitte der Kampffront auf Fontaines vordringenden Feind zurück und nahm den Epinoy-Wald wieder. Die Kämpfe fanden auf dem Kamme der östlichen Maashöhen ihren Abschluß. Auf dem Ostufer der Maas schlugen brandenburgische und sächsische Regimenter erneute Angriffe der Amerikaner auf den Höhen östlich von Sivry und in dem Walde von Etraye ab.
Wir schossen am 4. November 45 feindliche Flugzeuge ab. Oberleutnant Bolle und Leutnant Könnecke errangen ihren 35. Luftsieg.

Der Erste Generalquartiermeister
    Gröner.
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Die Bewegungen zwischen Selve und Oise

Berlin, 6. November, abends. 
Heftige Angriffe nordöstlich von Valenciennes, bei Bavay und bei Aulnoye an der Sambre konnten die Durchführung der zwischen Selve und Oise eingeleiteten Bewegungen nicht hindern. Von der Oise bis zur Maas keine größeren Kämpfe. Auf dem Ostufer der Maas erneute Angriffe der Amerikaner. Östlich Dun konnten sie etwas Boden gewinnen. Im übrigen sind sie gescheitert.
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Einmarsch bayerischer Truppen in Nordtirol

Innsbruck, 6. November. 
Die "Innsbrucker Nachrichten" bringen an der Spitze ihrer heutigen Mittagsnummer folgende Meldung: 
Das bayerische Kriegsministerium in München hat dem Präsidenten des Tiroler Nationalrates am 5. November, 10¾ Uhr nachts, folgende Depesche übermittelt:
Die Waffenstillstandsbedingungen zwischen Österreich und der Entente zwingen uns, zur Sicherung unserer Landesgrenzen Truppen nach Nordtirol zu schicken.
Gleichzeitig sollen diese Truppen mithelfen, um den Abzug abgelöster Teile des österreichischen Heeres nach Osten zu ordnen und das Land vor Zuchtlosigkeit zu schützen. Unsere Vorhuten überschritten am 5. November die Grenze, und starke Kräfte werden folgen. Wir kommen als Freunde und erwarten, daß uns bei unseren Bewegungen keine Hindernisse von seiten des deutsch-österreichischen Nationalrates und der österreichischen Kommandobehörden in den Weg gelegt werden. Sollte das trotzdem der Fall sein, so sind unsere Truppen angewiesen, sich mit Waffengewalt den Weg zu bahnen. 

Der Kommandierende General. 
  Krafft v. Delmensingen.
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Zustimmung der Alliierten zu Waffenstillstandsverhandlungen mit Deutschland 

Annahme der Grundsätze Wilsons als Friedensgrundlage - Voller Schadenersatz

US-Präsident Wilson
US-Präsident Wilson
Die USA im 1. Weltkrieg: Staatssekretär Lansing
Staatssekretär Lansing

Berlin, 6. November. 
Note des amerikanischen Staatssekretärs Lansing an Deutschland durch schweizerische Vermittlung (nach einem Funkspruch).
In meiner Note vom 23. Oktober 1918 habe ich Ihnen mitgeteilt, daß der Präsident seinen Notenwechsel den mit den Vereinigten Staaten verbundenen Regierungen übermittelt hat, mit dem Anheimstellen, falls diese Regierungen geneigt sind, den Frieden zu den angegebenen Bedingungen und Grundsätzen herbeizuführen, ihre militärischen Ratgeber und die der Vereinigten Staaten zu ersuchen, den gegen Deutschland verbundenen Regierungen die nötigen Bedingungen eines Waffenstillstandes zu unterbreiten, der die Interessen der beteiligten Völker in vollem Maße wahrt und den verbundenen Regierungen die unbeschränkte Macht sichert, die Einzelheiten des von der deutschen Regierung angenommenen Friedens zu gewährleisten und zu erzwingen, wofern sie einen solchen Waffenstillstand vom militärischen Standpunkt für möglich halten.
Der Präsident hat jetzt ein Memorandum der alliierten Regierungen mit Bemerkungen über diesen Notenwechsel erhalten, das folgendermaßen lautet.
"Die alliierten Regierungen haben den Notenwechsel zwischen dem Präsidenten der Vereinigten Staaten und der Deutschen Regierung sorgfältig in Erwägung gezogen. Mit den folgenden Einschränkungen erklären sie ihre Bereitschaft zum Friedensschluß mit der Deutschen Regierung auf Grund der Friedensbedingungen, die in der Ansprache des Präsidenten an den Kongreß vom 8. Januar 1918 sowie der Grundsätze, die in seinen späteren Ansprachen niedergelegt sind. Sie müssen jedoch darauf hinweisen, daß der gewöhnlich sogenannte Begriff der Freiheit der Meere verschiedene Auslegungen (Bestimmungen?) einschließt, von denen sie einige nicht annehmen können. Sie müssen sich deshalb über diesen Gegenstand beim Eintritt in die Friedenskonferenz volle Freiheit vorbehalten. Ferner hat der Präsident in den in seiner Ansprache an den Kongreß vom 8. Januar 1918 niedergelegten Friedensbedingungen erklärt, daß die besetzten Gebiete nicht nur geräumt und befreit, sondern auch wiederhergestellt werden müssen. Die alliierten Regierungen sind der Ansicht, daß über den Sinn dieser Bedingungen kein Zweifel bestehen darf. Sie verstehen darunter, daß Deutschland für allen durch seine Angriffe zu Land, zu Wasser und in der Luft der Zivilbevölkerung der Alliierten und ihrem Eigentum zugefügten Schaden Ersatz leisten soll."
Der Präsident hat mich mit der Mitteilung beauftragt, daß er mit der im letzten Teil des angeführten Memorandums enthaltenen Auslegung einverstanden ist. Der Präsident hat mich ferner beauftragt, Sie zu ersuchen, der Deutschen Regierung mitzuteilen, daß Marschall Foch von der Regierung der Vereinigten Staaten und den alliierten Regierungen ermächtigt worden ist, gehörig beglaubigte Vertreter (?) der Deutschen Regierung zu empfangen und sie von den Waffenstillstandsbedingungen in Kenntnis zu setzen. Robert Lansing.
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Abreise der deutschen Friedensunterhändler

Berlin, 6. November. (Amtlich.)
Die deutsche Delegation zum Abschluß des Waffenstillstandes und zur Aufnahme der Friedensverhandlungen ist heute nachmittag von Berlin nach dem Westen abgereist.

 

Warnung des Reichskanzlers vor Unruhen

Der 1. Weltkrieg: Reichskanzler Prinz Max von Baden

Reichskanzler Prinz Max von Baden

Berlin, 6. November. (Amtlich.)
Der Reichskanzler erläßt folgenden Aufruf an das deutsche Volk:

Präsident Wilson hat auf die deutsche Note geantwortet und mitgeteilt, daß seine Verbündeten den 14 Punkten, in denen er seine Friedensbedingungen im Januar diese Jahres zusammengefaßt hatte, mit Ausnahme der Freiheit der Meere zugestimmt haben und daß die Waffenstillstandsbedingungen durch Marschall Foch mitgeteilt werden. Damit ist die Voraussetzung für Friedens- und Waffenstillstandsverhandlungen gleichzeitig geschaffen. Um dem Blutvergießen ein Ende zu machen, ist die deutsche Abordnung zum Abschluß des Waffenstillstandes und zur Aufnahme der Friedensverhandlungen heute ernannt worden und nach dem Westen abgereist.
Die Verhandlungen werden durch Unruhen und disziplinloses Verhalten in ihrem erfolgreichen Verlauf ernstlich gefährdet.
Über vier Jahre hat das deutsche Volk in Einigkeit und Ruhe die schwersten Leiden und Opfer des Krieges getragen. Wenn in der entscheidenden Stunde, in der nur unbedingte Einigkeit des ganzen deutschen Volkes große Gefahren für seine Zukunft abwenden kann, die inneren Kräfte versagen, so sind die Folgen nicht abzusehen.
Die Aufrechterhaltung der bisher gewohnten Ordnung in freiwilliger Manneszucht ist in dieser Entscheidungsstunde eine unerläßliche Forderung, die jede Volksregierung stellen muß.
Mag jeder Staatsbürger sich der hohen Verantwortung bewußt sein, die er in Erfüllung dieser Pflicht seinem Volke gegenüber trägt.

Der Reichskanzler
Max, Prinz von Baden.
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Revolutionäre Vorgänge in Kiel, Hamburg und Lübeck

Berlin, 6. November, abends.
Über die Lage in Kiel erfahren wir von zuständiger Stelle folgendes:
Der militärische Schutz der Ostsee durch die Marine ist lückenlos hergestellt. Alle auslaufenden Kriegsschiffe führen die Kriegsflagge. Die Bewegung unter den Matrosen und Arbeitern ist in ruhigere Bahnen zurückgekehrt.
Die Mannschaften der Garnison bemühen sich, Ordnungswidrigkeiten entgegenzutreten. Es erfolgt allmählich allgemeine Abgabe der Waffen. Privathäuser und Geschäfte bleiben ebenso wie Lazarette und Krankenhäuser unbehelligt. Die Banken sind fast alle in Betrieb. Die Verpflegung in den Kasernen und aus den Schiffen wird in der bisher gewohnten Weise durchgeführt. Die Lebensmittelversorgung der Zivilbevölkerung ist noch nicht gestört. Die Betriebe sind noch im Ausstand. Die Bevölkerung ist ruhig.
In Hamburg sind die Betriebe ausständig. Es ist zu Disziplinlosigkeiten und gewaltsamen Übergriffen gekommen. Gleiches wird aus Lübeck gemeldet. Abgesehen von Ausschreitungen in einigen Werken ist Privateigentum nicht beschädigt oder angetastet worden. Die Bevölkerung ist nicht gefährdet.
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Der 1. Weltkrieg im November 1918

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 8
Nationaler Verlag, Berlin (1918)

 

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