Der englisch-französische Angriff am 31. Juli 1917 

 

Bericht aus dem deutschen Großen Hauptquartier vom 28. August 1917

Nachdem es den Engländern gelungen war, am 7. Juni 1917 den die Orte Wytschaete und Messines westlich umspannenden deutschen Stellungsbogen in ihre Hand zu bringen, hatten sie eine ziemlich gerade Front vom Lys-Knie bei Warneton bis Gegend Hooge (östlich Ypern) gewonnen, aus der heraus in Verbindung mit der nördlich anschließenden Front bis Gegend Steenstraete starke Angriffe jederzeit zu erwarten waren.
Das planmäßige feindliche Zerstörungsfeuer steigerte sich von Tag zu Tag und verwandelte auf dem ganzen Abschnitt vom Südende des Überschwemmungsgebietes bei Noordschote bis Warneton auch die deutschen, durch den Angriff am 7. Juni noch nicht berührten, gut ausgebauten Infanteriestellungen nördlich von Hooge zu Trichterfeldern. Mit gewaltigen Munitionsmengen wurden unsere Batteriegelände und auch unsere Unterkunftsräume und die Verkehrsadern bis zu 20 km im Hintergelände belegt. Die rechtzeitig erkannten feindlichen Vorbereitungen aller Art ließen nicht verkennen, daß ein Angriff größten Stils bevorstand. Bestätigt wurde dieser Eindruck durch eine aufgefundene englische Instruktion für den bevorstehenden Angriff und durch mehrfache Aussagen von Gefangenen, die teilweise bis ins einzelne gehende Klärung brachten.
Am 31. Juli 1917 früh brach nach fast einstündigem, stärkstem Trommelfeuer die feindliche Infanterie auf der ganzen Angriffsfront von Steenstraete bis Warneton, unterstützt von vielen Tanks, zum Sturm vor. Der Hauptdruck des Angriffs richtete sich gegen unsere Stellungen von Bixschoote bis zum Knie des Kanals Comines-Ypern bei Hollebeke. Auf diesem Teil der Angriffsfront wurden allein 1 französische und 10 englische frische Divisionen als erste Angriffswelle vorgeführt, 8 bis 9 weitere Infanterie- sowie mehrere Kavallerie-Divisionen standen zur weiteren Durchführung des Angriffs unmittelbar dahinter bereit. Auf dem Rest der Angriffsfront bis zur Lys nahmen 4 weitere englische Divisionen am Angriff teil, die jedoch zum Teil bei der Erstürmung des Wytschaete-Bogens eingesetzt gewesen waren und hierdurch an Angriffskraft eingebüßt hatten. Hier blieb der Angriff auch fast ohne jeden Erfolg und Geländegewinn. Die englische Führung hatte an dieser Stelle vermutlich mit leichtem Spiel gerechnet und dementsprechend den Kräfteeinsatz an Menge und Güte geringer bemessen als an der Hauptangriffsfront. Tanks beteiligten sich hier nicht am Sturm, als Reserve waren weniger Divisionen bereitgestellt, das Ziel des Angriffs war aber ebensoweit gesteckt wie bei der Hauptangriffsfront. Es scheint sich hier um Einnahme und Halten des Höhenrückens von Zandvoorde und der deutschen dritten Stellung gehandelt zu haben. An der Hauptangriffsfront war der Angriff der Divisionen in folgender Form gegliedert:
Voraus oder zwischen den Wellen im Divisions-Abschnitt mindestens 8 Tanks.
2 Brigaden in vorderster Linie angreifend mit je 2 Bataillonen als erste Welle und mit je 2 Bataillonen als zweite Welle. Die dritte Brigade als dritte Welle auf ganzer Divisionsfront folgend. Ziel der ersten Welle war die vorderste deutsche Stellung, von den Engländern als blaue Linie bezeichnet. Ziel der zweiten Welle war die zweite Stellung (schwarze Linie). Ziel der dritten Welle und der Tanks die dritte Stellung (grüne Linie).
An Kavallerie waren jeder Division 6 Schwadronen zugeteilt, die nach erreichtem dritten Ziel mit Patrouillen zusammen mit einer Infanterie-Postenkette vorfühlen und die zu haltende Linie sichern sollten. Es ist anzunehmen, daß die unmittelbar hinter der Front vor dem Angriff bereitgestellten Divisionen die Erfolge des ersten Tages vervollständigen und den Angriff weiterführen sollten, um einen Durchbruch zu erzwingen und dann die deutsche Stellung hinter dem Überschwemmungsgebiet vom Süden umfassend anzugreifen und aufzurollen.
Au Artillerie verfügte jede Division über die eigene Feldartillerie sowie über die der hinter ihr bereitgestellten Division, einzelne Divisionen über zugeteilte Batterien von dritten Divisionen oder Teilen von ihr. Dazu kam die sehr starke schwere Artillerie, die als Korpstruppe eingesetzt war. Ein dichter Artillerie-Sperrfeuer-Schleier ging der stürmenden Infanterie voraus, er wurde mit der festgesetzten Zeit, zu der die einzelnen Ziele erreicht sein sollten, vorverlegt. Mehrfach sollen durch dieses schematische Vorwärtsverlegen erhebliche Verluste der Angreifer durch die eigene Artillerie entstanden sein.
Das Tagesziel des ersten Angriffstages ist nur vorübergehend in einer Breite von 6 km zwischen Langemarck und Zonnebeke erreicht worden. Frischer Gegenstoß deutscher Divisionen hat aber den eingedrungenen Gegner erfolgreich und unter schweren blutigen und Gefangenenverluste hinauf und bis hinter die zweite Stellung zurückgeworfen, über die an dem Rest der Angriffsfront der englische Stoß nicht hinausgekommen war. Nach Gefangenenaussagen haben 2 englische Divisionen versagt; durch ihr geringes Vorwärtskommen sind die Nachbardivisionen am weiteren Vorstürmen aufgehalten und verhindert worden. Das Angriffsziel ist also nicht erreicht worden; trotz aller technischen Anstrengungen, trotz des gewaltigen Munitionseinsatzes, trotz des Heranführens der Massen Infanterie zum Angriff und als Reserve hat der Gegner nur geringen Geländegewinn errungen, sich aber dabei schwere Menschen- und Materialverluste geholt und dem Verteidiger über 600 Gefangene, viele Maschinengewehre und andere Beutestücke überlassen müssen. Über 20 Tanks lagen zerschossen vor und in unseren jetzigen fest gehaltenen Stellungen.
Die Verluste des Angreifers waren nach vielen Gefangenenaussagen schon bei der vieltägigen Artillerieschlacht vor dem Angriff wie beim Angriff selbst sehr schwer, einige der Gefangenen bezeichnen sie als vernichtend. Von besonderer Wirkung sind unsere plötzlich auftauchenden, vereinzelt aufgestellten Maschinengewehre gewesen, die gründlichst unter der stürmenden Infanterie aufgeräumt haben.
Die Stimmung der Gefangenen der englischen Divisionen nordöstlich Ypern und östlich Ypern war vertrauensvoll und froh infolge des Geländegewinns und der enormen artilleristischen Vorbereitungen, deren Zeuge sie gewesen waren; bei denen der englischen Divisionen südlich Ypern hingegen, die zum Teil schon den Sturm auf Wytschaete und Messines mitgemacht hatten, keineswegs hoffnungsvoll. Sie sahen den Angriff als gescheitert und ein weiteres Stürmen für zwecklos an und waren zum Teil voll gehässiger Wut gegen ihre Führer, die sie zu aussichtslosem Sturm und zwecklosen Opfern vorgeschickt hätten.
Das schlechte Wetter der ersten Tage des August machte neben dem Scheitern des beabsichtigten Angriffs, den schweren Verlusten und der Notwendigkeit, die erschöpften und gelichteten Angriffsdivisionen durch frische Truppen zu ersetzen, die alsbaldige weitere Durchführung der Angriffe und die Ausnutzung der Teilerfolge unmöglich. Der zerfetzte und verschlammte Boden erschwerte Stürmen der Infanterie wie Vorziehen der Artillerie. Viel Krankheiten verschlechtern die Stimmung und Zuversicht des vom Sturm müden Angreifers noch mehr, wie aus einer aufgefangenen Brieftaubenmeldung hervorging. Beobachtung für die Artillerie und Luftaufklärung mußten durch den ständig niederfallenden Landregen und die tiefen Wolken versagen.

 

Berichte aus dem deutschen Großen Hauptquartier 1914-1918

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