Der Weltkrieg am 17. September 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Die Schlacht zwischen Oise und Maas

Großes Hauptquartier, 17. September.
In der Schlacht zwischen Oise und Maas ist die endgültige Entscheidung immer noch nicht gefallen, aber gewisse Anzeichen deuten darauf hin, daß die Widerstandskraft des Gegners zu erlahmen beginnt. Ein mit großer Bravour unternommener französischer Durchbruchsversuch auf dem äußersten rechten deutschen Flügel brach ohne besondere Anstrengung unserer Truppen schließlich in sich selbst zusammen. Die Mitte der deutschen Armee gewinnt langsam aber sicher Boden Auf dem rechten Maas-Ufer versuchte Ausfälle aus Verdun wurden mit Leichtigkeit zurückgewiesen.

Generalquartiermeister v. Stein. 1)

 

Die große Schlacht im Westen

Berlin, 17. September. (W. B. Nichtamtlich.)
Das "Tageblatt" meldet aus Kopenhagen vom heutigen Datum: Ein offizieller französischer Bericht über die Schlachtlage warnt vor übereiltem Optimismus. Sehr reserviert schreibt der "Temps" in einem Leitartikel über die militärische Situation: Die Deutschen werden den Kampf fortsetzen bis zum letzten Mann. Unsere Truppen müssen den Deutschen auf ein Gebiet folgen, das sie selbst verwüstet haben, um den Deutschen ihr Vorrücken zu erschweren, und die Deutschen werden die Zerstörung, namentlich an Eisenbahnen, selbstverständlich vollenden. Dazu kommt, daß unsere Truppen ganz erschöpft sind von einem zwanzigtägigen Marsch und Kampf. Wir dürfen uns daher nicht allzugroße Illusionen machen von den Kämpfen, die uns bevorstehen."

 

Die Flieger im Felde

Großes Hauptquartier, im September.
Die Verwendung der Flugzeuge im Feldzuge 1914 hat zweifellos vorzügliche Ergebnisse geliefert. Bereits zu Beginn des Krieges trat eine gewisse Verschiedenheit in der Verwendung der Flugzeuge auf deutscher und französischer Seite ein. Die französischen Flieger wurden während des deutschen Aufmarsches weit in das Innere des Landes bis Frankfurt, Mainz, Nürnberg usw. vorgetrieben, mit der Aufgabe, durch Zerstörung von Brücken und Bahnhöfen den deutschen Aufmarsch zu stören. Die Überweisung einer derartigen Aufgabe an die Fliegertruppe endete mit einem völligen Mißerfolg, führte dagegen zu empfindlichen Verlusten für die Franzosen, da eine ganze Anzahl französischer Flieger bereits zu Anfang des Krieges heruntergeschossen wurden.
Die Deutschen dagegen hielten ihre Flugzeuge bis zum Beginn des eigentlichen Feldzuges zusammen und setzten sie erst dann zur Erfüllung der Hauptaufgabe, nämlich zu reinen Erkundungszwecken ein. Was das verwendete Motorenmaterial anbetrifft, so hat sich der durch Wassergekühlte Mercedesmotor in Verbindung mit Doppeldeckern als das praktischste Kriegsinstrument erwiesen. Seine Geschwindigkeit genügt vollkommen, und ein bekannter Fliegeroffizier bemerkte ganz richtig, daß ein guter Flieger in einer Stunde mehr sehe, als eine Armee in drei Tagen verarbeiten kann. Vor allem hat der wassergekühlte Motor den großen Vorteil sparsamen Betriebsstoffverbrauches und gewährt im Verein mit dem Doppeldecker die Möglichkeit, eine bedeutend größere Nutzlast mitzuführen, als dies den Franzosen bei ihren mit Vorliebe verwendeten Eindeckern möglich ist. Auch die Beigabe geschulter Beobachtungsoffiziere hat sich als sehr zweckmäßig erwiesen. Die französischen Flugzeuge sind, so weit es bekannt geworden ist, stets nur von einem Fliegeroffizier und dessen Mechaniker bestückt, wobei der Fliegeroffizier zugleich als Flugzeugführer fungiert. Es ist vielfach aufgefallen, daß die Franzosen meist sehr hoch flogen, wodurch naturgemäß die Beobachtung eingeschränkt wurde. Immerhin haben die französischen Flieger auch stets ihre Pflicht getan, und zwar mit gutem Erfolge. So fand man vor einigen Tagen bei einem bei Nancy heruntergeschossenen französischen Flieger eine Meldung vor, die recht zutreffende Angaben über Stärke und Art der gegenüberstehenden deutschen Kräfte enthielt.
Der Luftkrieg an sich kann nach den bisherigen Erfahrungen als eine Utopie bezeichnet werden. Die Aufgabe des Fliegers ist zu sehen, aber nicht zu kämpfen, und auch die französischen Flieger folgen diesem Grundsatze. So war ein deutscher Flieger unlängst bei einem Erkundungsfluge auf zwei französische Flieger gestoßen. Da er glaubte, von diesen angegriffen zu werden, hielt er kurz entschlossen scharf auf einen derselben zu, als wenn er ihn selbst angreifen und zum Absturz bringen wolle. Hierauf machten beide französische Flieger kehrt und wichen dem Deutschen aus. Als sehr unangenehm wird Infanteriefeuer und vor allem Maschinengewehrfeuer geschildert. Sobald der Flieger die wohlbekannt Musik der vorbeipfeifenden blauen Bohnen hört, tut er am klügsten, sofort höher zu gehen. Andererseits hat die Praxis erwiesen, daß Schüsse in die Tragfläche des Flugzeuges keine ernstliche Folgen haben und die Sache nur dann kritisch wird, wenn wesentliche Teile des Motors oder der Benzinkasten getroffen werden. Artilleriefeuer hat im allgemeinen nur geringe Wirkung, und es ist eigentlich nur ein Fall bekannt, wo ein französischer Flieger durch Artillerie heruntergeholt wurde. Es war dies der bekannte Rekordmann Garros, der lange den Höhenrekord hielt. Er bekam einen Volltreffer in sein Flugzeug Der Apparat stand im Nu in Flammen und fiel dann wie ein Stein zur Erde. 
Die Organisation unserer Fliegerstationen, vor allem auch der Nachschub der Betriebsmittel hat in diesem Feldzuge in geradezu hervorragender Weise funktioniert. Wir trafen auf unseren Reisen wiederholt Fliegerstationen, die, obwohl dicht an den Feind herangeschoben, dennoch über einen derartig großen Vorrat an Betriebsstoffen verfügten, daß sie sogar noch in der Lage waren, uns davon abzugeben.
Über das Material unserer Fliegertruppe läßt sich nur das eine sagen, daß unsere sämtlichen Flieger, von rücksichtslosem Schneid beseelt, auch die schwierigste Aufgabe mit der kühlsten Selbstverständlichkeit auffassen. Die Schußlöcher ihrer Apparate werden wie eine Schießscheibe zugeklebt und mit dem Datum versehen. Eine ganze Anzahl dieser Flugzeuge hat schon eine Menge solcher Pflaster aufzuweisen. Ein klares Bild von der Geistesgegenwart, mit der unsere Fliegern auch in den schwierigsten Lagen handeln, gibt folgende Geschichte: Ein junger Fliegeroffizier war mit Automobil in Begleitung seines Chauffeurs vorgeschickt worden, um einen geeigneten Landungsplatz weiter vorne zu ermitteln. Er fand diesen am Rande eines Waldes und war gerade eifrig beschäftigt, ihn durch die bekannten weißen Bänder zu markieren, als plötzlich aus dem Walde drei Zuaven heraustraten. Sofort schoß er auf diese und brüllte sie gleichzeitig mit Donnerstimme mit den Worten "Weg mit den Waffen, Hände hoch" auf Französisch an. Die Waffen der Zuaven rasselten zur Erde nieder und die Gesellschaft ergab sich. Kaum war aber diese Gefahr beseitigt, so zeigte sich auf dem Wege, den der Flieger zurück mußte, eine Staubwolke, in der er zu seiner Überraschung eine Kolonne französischer Kavallerie feststellte. Kurz entschlossen steckte er die drei Zuaven in sein Auto; zwei wurden hinten festgebunden, daneben nahm. der Chauffeur Platz, dem eine Zuavenmütze aufgestülpt wurde, der dritte wurde vorn neben den Führersitz festgebunden. Dann kurbelte der Offizier den Wagen an und fuhr dreist und gottesfürchtig in einem Höllentempo an der ganzen Kavalleriekolonne vorbei. Diese hielt natürlich mit Rücksicht auf die im Kraftwagen befindlichen Zuaven das Fahrzeug für ein französisches Automobil und machte ihm unter freundlichen Zurufen Platz. Gänzlich unbeschädigt langte der kühne Offizier bei den Seinigen wieder an und lieferte seine drei Gefangenen ab.

 

Die Beschäftigung Kriegsgefangener

Berlin, 17. September. (W. B.) 
Der "Reichsanzeiger" veröffentlicht eine kaiserliche Verordnung, betreffend ein vereinfachtes Enteignungsverfahren zur Beschaffung von Arbeitsgelegenheit zur Beschäftigung Kriegsgefangener. Das vereinsachte Enteignungsverfahren, bei dem an die Stelle des Bezirksausschusses der Regierungspräsident tritt und das von heute bis zum 31. März 1915 gilt, bezieht sich auf Bauausführungen der Eisenbahn-, Wasserbau- und landwirtschaftlichen Verwaltung. Zu den Arbeiten gehören der Ausbau der Oder von Koblau bis Annaberg, die Verbesserung der Oderwasserstraße unterhalb Breslaus, der Ausbau des Plauen-Kanals, Hochwasserregulierungsarbeiten an der Elbe, der Bau des Lippe-Seitenkanals und die Entwässerung von Mooren.

 

Die deutschen Luftschiffe

Berlin. 17. Septbr. (Priv.-Tel.) 
Die "Norddeutsche Allgemeine Zeitung" meldet: Wie aus dem Hauptquartier gemeldet wird, ist keines unserer Luftschiffe, welchen Systems auch immer, in Feindeshand gefallen. Wohl sind mehrere beschädigt worden, doch konnten sie ausgebessert werden und sind und wieder völlig gebrauchsfähig.

 

Der 1. Weltkrieg im September 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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