Der Weltkrieg am 27. September 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Die Kriegslage unverändert

Großes Hauptquartier, 27. September, abends.
Die Lage auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen blieb heute unverändert.
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Bombenwürfe auf Paris und Ostende

Paris, 27. September. (Priv.-Tel.)
Ein deutscher Flugapparat, eine "Taube", erschien unter Ausnützung des Nebels heute Morgen 11 Uhr über Paris und warf mehrere Bomben in der Nähe des Eiffelturms nieder, dessen Funksprechstation offenbar sein Ziel war. Eine Person wurde getötet und eine verwundet.

Ostende, 27. September. (Priv.-Tel.)
Ein "Zeppelin" flog über Ostende und warf mehrere Bomben herab. Eine fiel in ein Wäldchen, eine zweite auf den Fischmarkt, eine dritte in ein Wasserbecken. Dann verschwand das Luftschiff wieder in der Richtung nach Thielt, woher es gekommen war.
2)

 

Die Russen in Ungarn -
Neue österreichisch-russische Kämpfe

Budapest, 27. September.
Das "Ungarische Korrespondenzbureau" ist von kompetenter Seite ermächtigt, folgendes bekanntzugeben: Bei dem Uzsoker Paß ist gestern eine mehrere tausend Mann starke russische Truppenabteilung eingedrungen, die bei Malomret zwischen Fenyveswoelgy und Csontos zurückgeschlagen wurde. Im Marmoroser Komitat sind bei Tornya ebenfalls Plänkeleien mit dort eingebrochenen russischen Truppen und unseren zum Grenzschutz befohlenen Truppen im Gang. Von Munkacs und Hußt sind größere Truppenabteilungen unterwegs, um die Unseren zu unterstützen. Alle diese Grenzplänkeleien sind von geringrer Bedeutung und geben, da wir bei der Grenze und im Landesinnern über genügende Truppen verfügen, keinen Anlaß zur Besorgnis.
1)

 

Der Seekrieg

Berlin, 27. September. (Priv.-Tel.)
Zu der Vernichtung der drei englischen Kreuzer "Aboukir", "Cressy" und "Hogue" durch das deutsche Unterseeboot "U 9" können wir heute noch folgende Angaben machen: Am Morgen des 22. September befand sich "U 9" 20 Seemeilen nordwestlich von Hoek van Holland mit annähernd südwestlichem Kurse. Die See war ruhig, das Wetter klar, zum Teil aber auch nebelig. Gegen 6 Uhr sichtete man von der "U 9" drei feindliche Kreuzer, die bei weiten Schiffsabständen in Dwarslinie (d. h. nebeneinander fahrend) sich in entgegengesetzter Richtung näherten. "U 9" beschloß, zuerst den in der Mitte fahrenden Kreuzer anzugreifen, führte die Absicht aus und brachte dem Kreuzer - es war die "Aboukir" - einen tödlichen Torpedotreffer bei. Der Kreuzer sank nach wenige Minuten. Als nun die beiden anderen Kreuzer nach der Stelle dampften, wo die "Aboukir" gesunken war, machte "U 9" einen erfolgreichen Torpedoangriff auf die "Hogue"; auch dieser Kreuzer verschwand nach kurzer Zeit in den Fluten. Nun wandte sich "U 9" gegen die "Cressy". Beinahe unmittelbar nach dem Torpedoschuß kenterte die "Cressy"; sie schwamm noch eine Weile kieloben und sank schließlich.
2)

 

Lüderitzbucht in Deutsch-Südwestafrika besetzt

London, 27. September. (W. B.)
Das Reuters Bureau meldet: Lüderitzbucht ist am 19. September von den südafrikanischen Truppen besetzt worden. Die deutsche Besatzung hatte sich am 18. September zurückgezogen, indem sie die Eisenbahn zerstörte. Die Deutschen haben bei der Räumung von Lüderitzbucht auch die Funkenstation zerstört.
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Westfront Erster Weltkrieg: Ein schweres deutsches Geschütz bei St. Mihiel
Ein schweres deutsches Geschütz bei St. Mihiel

Die Durchbrechung der Sperrfortlinie Verdun - Toul

Großes Hauptquartier, 27. September.
Ein herrlicher Herbsttag. Die Sonne vergoldet mit ihrem Glanze die lachenden Fluren des luxemburger Landes, in der Ferne grüßt das schöne Schloß Colmarer Berg. Wir fahren durch herrlichen Buchenwald, den schönsten, den ich je gesehen habe, über die luxemburgische Grenze nach Belgien hinein auf Arlon zu. Von dort geht es weiter nach Longwy. Längs der Straße sehen wir, wie die Deutschen die Chausseegräben als Annäherungsgräben benutzt haben um so auf Sturmstellung heranzukommen. Wir bleiben einen Augenblick halten, um uns die Anlage dieser letzten Sturmstellung zu betrachten. Es ist bewundernswert, mit welchem Geschick und Fleiß sie ausgeführt ist. In stark felsigem Boden ist die letzte Parallele dicht vor dem Hindernis ausgehoben, in das die Drahtscheren der Pioniere bereits einen Durchgang an verschiedenen Punkten eröffnet hatten, während über den Köpfen der in der Infanteriestellung Liegenden die Geschosse der Mörser die Luft durchheulten und die feindliche Artillerie niederhielten. Als sich schon die Sturmkolonnen zum letzten Angriff auf die Festung sammelten, erschien ein Parlamentär, um wegen der Übergabe zu verhandeln. Das Betreten des Geländes bei dem Hindernis wurde übrigens verboten, da in diesem immer noch Tretminen liegen sollen.
Von Longwy ging es weiter nach Crusnes und von dort über Audun le Roman nach dem Schlachtfelde vom 16. August 1870, nach Mars la Tour. Bei Jarny betraten wir diesen historischen Abschnitt, wo Brandenburger, Westfalen und Hannoveraner der ganzen französische Rheinarmee gegenüberstanden. Lange Züge mit Verwundeten, Deutsche und Franzosen, kamen uns entgegen, ein Zeichen dafür, daß vorn noch immer scharf gerungen wird. Am französischen Denkmal von Mars la Tour, an dem vom 16. August her noch einige verwelkte Kränze hängen, lehnten deutsche Verwundete. Aus Mars la Tour fuhren wir nach einem Schlosse, wo das Oberkommando der zum Angriff auf Verdun und die Sperrfortlinie bestimmten Truppen seinen Sitz aufgeschlagen hat. Aus der Ferne grollt heftiger Kanonendonner. Im Armeeoberkommando erfuhren wir mancherlei über die allgemeine Lage vor der Sperrfortlinie, was ich im Verein mit anderen Informationen folgendermaßen zusammenfassen möchte:
Im Anschluß an die großen Operationen der anderen Armeen wurde eine Operation angeordnet, deren Aufgabe es war, die Sperrfortlinie zu durchbrechen und auch in dieser Linie die Maasübergänge frei zu machen. Diese Operation war überaus schwierig, da man mit starken Flankenstößen aus der Richtung Verdun und Toul rechnen musste. Es mußten daher starke Abteilungen ausgeschieden werden, deren Aufgabe es war, derartigen Vorstößen des Gegners entgegen zutreten. Es mußten ferner, bevor man an die Sperrfortlinie herangelangte, die Stellungen der Franzosen auf der Côte Lorraine genommen werden, welche diese bereits seit Frühjahr mit großem Geschick und Fleiß zu einer außerordendlichen Stärke ausgebaut hatten. Die Côte Lorraine ist ein Höhenzug, der steil nach Osten abfällt und das vorliegende Gelände ganz bedeutend überhöht. Es wurden nun zunächst diese
Stellungen unter energischer Mitwirkung unserer schweren Batterien angegriffen und genommen. Die mit großen Massen unternommenen Vorstöße aus der Richtung Verdun und Toul wurden durch die Flankenschutzabteilungen stets erfolgreich abgewiesen und es wurde mit der Zeit sogar erreicht, daß der Feind seine Vorstöße von Toul heraus allmählich einstellt. Je mehr sich nun ein Erschlaffen dieser Flankenstöße herausstellte, desto mehr war die Heeresleitung in der Lage, den Frontalangriff zu sortieren, und so kam es, daß die Stellungen der Franzosen auf der Côte nach und nach unter heftigen Kämpfen genommen wurden. Damit war der Besitz der Côte noch nicht entschieden, denn die Franzosen hatten in diesen Waldbergen noch eine Reihe von Abschnitten hergestellt, die von ihnen recht gewandt verteidigt wurden. Nachdem der Besitz der Côte endgültig zu Gunsten der Deutschen entschieden war, wurde der Angriff gegen die Sperrfortlinie angesetzt, die von den Franzosen während der Kämpfe um die Vorstellung durch Anlage einer Anzahl von mit den schwersten Kalibern armierten Zwischenbatterien verstärkt worden war. Die Hauptstützpunkte der Sperrfortlinie zwischen Verdun und Toul sind folgende: Dicht südlich von Verdun, noch durch die Kanonen dieser Festung gedeckt, liegt das Fort de Genicourt. An dieses schließt sich südlich das Fort de Troyon an. Auf dieses folgt südlich das Fort du Camp des Romains. Zwischen dem Fort du Troyon und dem Fort du Camp des Romains liegt die Batterie Les Paroches, die als einziges Werk auf dem linken Maasufer gelegen ist. Dem Fort du Camp des Romains folgt in südlicher Richtung das Fort de Liouville und auf dieses das Fort de Gironville. Das dicht neben dem Fort de Gironville belegene Fort Jouy sous les Cotes stellt den Anschluß an die Festung Toul her, an die sich die Fortgruppe von Nancy anschließt.
Die deutsche Heeresleitung beschloß zunächst den Angriff gegen die Forts der Mittelgruppe, und zwar wurden Fort de Troyon, Batterie Les Paroches, Fort du Camp des Romains und Fort de Liouville energisch angegriffen. Durch fürchterliches konzentrisches Feuer unserer schweren Batterien wurden die Forts zunächst zum Schweigen gebracht und dann das infolge seiner Lage außerordentlich wichtige Fort Camp des Romains angegriffen und gestürmt. Die französische Besatzung wehrte sich recht tapfer und ergab sich erst als die Deutschen mit blanker Waffe in das Fort eindrangen.
Es kam vor, daß Deutsche und Franzosen auf fünf Meter aufeinander schossen, die Grabenwehren mußten durch Brandröhren und Handgranaten außer Gefecht gesetzt werden. Von der Besatzung ergaben sich noch gegen 450 Mann, eine beträchtliche Anzahl war gefallen. Wegen der bewiesenen Bravour wurde der Besatzung der Abzug mit allen kriegerischen Ehren bewilligt. Die Truppen, die den Sturm angeführt hatten, präsentierten die Waffen, die Fahnen senkten sich, dann legte die Garnison die Waffen nieder und gab sich kriegsgefangen. Ich habe die Gefangenen selbst gesehen. Es waren große, gut gewachsene Leute, gut gekleidet und von straffer militärischer Haltung. Auch den französischen Offizieren wurde mit Rücksicht auf die bewiesene Bravour gestattet, ihre Degen zu behalten.
Nun fuhren wir auf das Kampffeld selbst. Unser Besuch galt einer schweren Batterie, welche die Aufgabe hatte, die Straßen, welche aus nordwestlicher Richtung nach Verdun hineinführen , unter Feuer zu halten. Diese Aufgabe hat sie auch nach Mitteilungen der Truppenführung in befriedigendster Weise gelöst und einige Male waren auch mit ihrer Hilfe Versuche französischer Infanterie, aus Verdun flankierend vorzugehen, scharf abgewiesen worden. Der Hauptgegner dieser Batterie war eine 155 mm Rimailho - Batterie, bekanntlich das einzige Haubitzgeschütz, das die Franzosen besitzen. Nach Angaben des Batterieführers langte jedoch die Schußweite dieses Geschützes nicht bis zum Aufstellungsort unserer Batterie, denn die Geschosse der Rimailho - Batterie krepierten alle unschädlich auf einem Hange, der etwa 1000 Meter vor der deutschen Batterie lag.
Von dort fuhren wir nach der Côte hinauf, um in die nähere Feuerzone zu gelangen. Zu Füßen der Côte hatten sich eine Feldluftschifferabteilung und ein Feldlazarett etabliert und die Luftschiffer waren gerade im Begriff, ihren Ballon hochzubringen. Wir kletterten den steilen Hang der Côte hinauf und fuhren dann auf schmaler Waldchaussee, die mit Infanterie und Munitionskolonnen gefüllt war, zum Standort einer anderen schweren Batterie vor. Als wir ein ganzes Stück vorwärts gekommen waren, kamen uns zurückgehende Bagagen entgegen und bald zeigte der scharfe Knall eines in geringer Entfernung krepierenden Schrapnells an, daß wir ganz gehöriges Feuer bekommen würden. In der Batteriestellung angekommen, fanden wir, daß gerade eine Feuerpause eingelegt worden war. Diesem Beispiel war aber der Feind leider nicht gefolgt, sondern ein sehr schweres Artilleriefeuer setzte ein, als wir gerade bei der Batterie waren. In allen Tonarten sang und heulte es über unseren Köpfen und von Zeit zu Zeit verkündete ein scharfer schmetternder Schlag, daß wieder solch ein angenehmes Instrument in unserer nächsten Nähe geplatzt war. Da das nächste nur 30 Meter von uns zersprang, so kann man sich darüber ein Urteil bilden, in wieweit wir den Genuß einer ganz gehörigen Beschießung gehabt haben. Von der Besatzung der Batterie, bei der wir uns aufhielten, wurden im Laufe der Abendstunden, wir waren etwa um halb sechs dort, acht Mann verwundet. Es ist etwas ganz Eigenartiges, in einem Walde unter dem Eindruck schweren Feuers zu stehen. Ich bin am nächsten Tage auch noch im freien Felde im Schrapnellfeuer gewesen, aber der Eindruck war doch bei weitem nicht derselbe. Wir verließen dann diese freundliche Stätte und fuhren wieder dem Abhange der Côte zu. Als wir unten anlangten, sahen wir, daß die Franzosen gerade den Fesselballon und den Abhang der Côte unter Feuer nahmen. Wären wir fünf Minuten später abgefahren, so hätten wir auch diese Dusche mitbekommen. So kamen wir glatt aus der Beschießung heraus und sahen nur noch aus der Ferne dem Bombardement gegen einen deutschen, den Franzosen anscheinend recht unbequemen Flieger zu. In reicher Zahl krepierten die Geschosse um den deutschen Flugapparat, er kam aber durch und landete unversehrt.
Am anderen Morgen fuhren wir wieder durch die Dörfer am Fuße der Côte, die durch die Beschießung, vor allem auch die der Franzosen, gelitten hatten. Dann ging es wieder in die Côte hinein, wo wir einer Batterie 21 cm-Mörser einen Besuch abstatteten. Diese Batterie stand außerordentlich geschickt im Walde versteckt, so daß es den Franzosen trotz aller Bemühungen und Fliegererkundung nicht gelungen war, den Aufstellungsort zu entdecken. Diese Mörser hatten bisher die Batterie des Paroches mit dem Erfolge bearbeitet, daß sie schwieg, was wir selbst nachher feststellen konnten. In unserer Abwesenheit feuerte die Batterie auf 9400 Meter. Wir versuchten, den Lauf des Geschosses zu verfolgen, jedoch glückte es uns nicht. Zum Instellungschaffen des Geschützes hatten sechs Pferde genügt. Die Rohre hatten sich ausgezeichnet bewährt. Sie waren durchweg mit annähernd 2000 Schuß belastet, ohne daß die Treffsicherheit auch nur im geringsten nachgelassen hatte. Auch die Munition war ausgezeichnet. Die Bedienung ging sehr glatt vonstatten, und ein Mann konnte mit Leichtigkeit alle Maßnahmen zur Bewegung und Richtung des gewaltigen Rohres vornehmen. Dieselbe Batterie hatte auch bei Manonvillers gefeuert, das eine Elitebesatzung von 800 Mann besaß. Hier wurde alles durch die Gasentwicklung erledigt und nachdem 70 bis 80 Mann besinnungslos geworden waren, mußte der Kommandant mit tränenden Augen das stärkste Sperrfort der Welt übergeben.
Wir fuhren dann an den Waldrand bis an die Höhe 331. Dort stiegen wir aus und kletterten über Stoppelfelder und Klee hinweg bis an den Abhang, der sich zur Maas hinabzieht. Da lag die Batterie Les Paroches auf etwa 2500 Meter deutlich vor uns, daneben der Ort Les Paroches mit seiner hübschen Kirche, ganz im Vordergrunde Chauvaincourt mit seinen Kasernen und weiter links im Maastale St. Mihiel, das bereits von unseren Truppen besetzt war. Es war ein herrliches Bild und nur die weißen Schrapnellwölkchen über Chauvaincourt und Les Paroches zeigten den Krieg. Auch zu unserer Linken war ein sehr heftiger Artilleriekampf mit den dort stehenden französischen Batterien im Gange. Jetzt war aber auch unsere Anwesenheit den dort stehenden französischen Batterien bekannt geworden. Sie mochten uns wohl für einen Stab halten, der eine Batteriestellung aufsuchte. Zuerst kamen die leisen Vorboten, die pfeifend über unsere Köpfe gingen und dann kam platzend das erste Schrapnell, das, die Höhe richtig bestreuend, uns in deutlichster Weise die Ansicht der Franzosen mitteilte, daß wir eigentlich auf dieser Höhe nichts zu suchen hätten. Dem ersten folgte ein zweites und da wir diesen gewichtigen Gründen nichts Passendes entgegensetzen konnten, so wählten wir das bessere Teil und zogen ab. Mochten nun unsertwegen die Franzosen weiter ihre schöne Munition auf die leergewordene Höhe verknallen. Uns konnte es gleich sein.
Wir fuhren dann weiter zu einer Mörserbatterie schwersten Kalibers, die gegen das Fort Liouville feuerte. Wie wir hörten, schoß diese Batterie auf 8600 Meter Entfernung, wobei der Kulminationspunkt der Flugbahn auf etwa 4500 Meter liegt. Dem vereinigten Feuer unserer Batterien war es übrigens gelungen, die sämtlichen Forts der Mittelgruppe Liouville und Troyon sowie auch die Batterie Les Paroches derartig einzudecken, daß sie nicht mehr antworten konnten. Diese schweren Batterien machten übrigens einen Heidenspektakel und das Schießen dieser Riesendinger war so interessant, daß man dabei ganz übersah, daß die Franzosen sie ebenfalls mit ihrem Feuer bedachten und versuchten, sie mit Schrapnellfeuer zu bestreichen. Wir sahen uns an, wie diese schweren Geschütze abgefeuert wurden. Wenn aber diese Riesengeschosse mit fürchterlichem Heulen auf die Reise gingen, konnte man hinter ihnen deutlich den Luftwirbel beobachten, den sie verursachten. Wo solch ein Ungetüm einschlug, da war alles zerschlagen. Ich habe vor Jahren einmal einen französischen Kriegsroman gelesen, in dem hielt sich das Fort Liouville so ungefähr acht Wochen, bis es durch die heldenmütige französische Armee, die natürlich die Deutschen verprügelt hatte, erlöst wurde. An diesen Roman und an die kolossale Überschätzung der Sperrfortlinie mußte ich denken, während diese Grüße aus Deutschland in das Fort Liouville hineinsausten. Es antwortete aber nicht mehr wie in dem Roman "la guerre de forteresse" und ekrasierte nicht - écraser ist ein Lieblingsausdruck des Franzosen, wenn er von Deutschen spricht - unsere Batterien. Die großen Brummer hatten ihm gehörig den Mund gestopft.
Liouville und Les Paroches werden bald sturmreif sein, Troyon soll auf der Ostfront erledigt sein, nur die Westfront ist noch einigermaßen intakt und wird daher einer sachgemäßen Bearbeitung unterzogen. Auch Gironville soll gelitten haben. Mit der Wegnahme des auf dominierender Höhe gelegenen Forts du Camp des Romains ist aber jedenfalls eine Lücke gerissen, die nicht wieder gestopft werden kann.
Während wir vorn an der Front waren, hatten die Franzosen anscheinend auf unseren linken Flügel vorgestoßen, aus der Richtung von Toul her. Die noch kampffähigen Forts der rechten Flügelgruppe, sowie die neuangelegten und mit Festungs- und Marinegeschützen armierten Zwischenbatterien erhoben ein gewaltiges Feuer und man sah die steil ansteigenden gewaltigen Rauchwolken schwerer Aufschlaggeschosse untermengt mit den Schrapnellwölkchen, die so unschuldig aussehen. Aber auch die deutsche Artillerie blieb die Antwort nicht schuldig und man hörte, wie unsere dicken Brummer ihre gewaltigen Stimmen erhoben, sodaß alles andere Donnern übertönt wurde.
Die allgemeine Lage bei der Sperrfortlinie kann nur als sehr gut bezeichnet werden. Vor allem können die Franzosen, sowohl was Material wie auch Schießausbildung anbetrifft, nicht mit unserer schweren Artillerie konkurrieren, die tatsächlich auf der höchsten Stufe der Vollendung steht.
Vorzüglich geregelt ist auch der Munitions- und Proviantnachschub. Kolonne auf Kolonne strebt vollbeladen der Front zu oder geht zurück, um neue Vorräte zu fassen. Diese Riesenorganisation wickelt sich wie am Schnürchen ab, und gerade in solchen Schlachten, wie wir sie jetzt durchzukämpfen haben, ist es wichtig, daß in diesen wochenlangen Kämpfen die Organisation des Nachschubs aller Heeresbedürfnisse wie auch der Abtransport aller Verwundeten auf das beste geregelt ist. Mit der Verpflegung sieht es in der Front nicht schlecht aus.
Frisches Fleisch, selbst Milch und Butter sind reichlich vorhanden. Vor allem wird auch die Leistungsfähigkeit unserer Feldküchen sehr gelobt. So erzählte mir ein Hauptmann, daß er an einem Tage nicht weniger als 947 Mann aus seiner Feldküche, und zwar reichlich, verpflegt habe.
Wenn ich nun das Gesamtresultat der beiden letzten Tage, die ich direkt auf dem Kampffelde in vorderster Linie verbrachte, zusammenfasse, so kann man nur sagen, daß die stählerne Rüstung des Deutschen Reiches auch nicht die kleinste Lücke aufweist und daß die Seele, die Haltung und der Geist der Truppen nicht besser sein können. 

Walter Oertel,
 Kriegsberichterstatter.
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Der 1. Weltkrieg im September 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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