Eine
Proklamation des Khediven
Abbas
Hilmi
Konstantinopel,
19. Dezember. (Priv.-Tel.)
Khediv Abbas Hilmi, der rechtmäßige Landesherr von Ägypten, hat in
einer Proklamation an seine Untertanen folgendes kundgegeben:
An
die Ägypter und Sudanesen!
Meine
lieben Kinder!
Eine fremde Macht hält seit 32 Jahren unser treues und vielgeliebtes
Land besetzt. Die so ungeduldig erwartete Stunde der Befreiung ist
endlich angebrochen. Die Besetzung sollte nach den wiederholten Erklärungen
der englischen Regierung und den feierlichen Versprechungen ihrer in
erster Linie zuständigen Vertreter nur eine zeitweilige sein; sie
sollte auch die Befestigung des Throns des Khediven zum Ziele haben. Die
englische Regierung aber vergißt nicht nur ihre Versprechungen, das
Land zu räumen, sondern sie mischt sich ungesetzlicherweise in die
Verwaltungs- und die politischen Angelegenheiten ein, indem sie die
Finanzen des Landes verschleudert, unsere souveränen Rechte über den
Sudan mißachtet und in öffentlichen Verwaltungen die Landeskinder
durch Engländer ersetzt, die Unabhängigkeit der Richter durch den Erlaß
von Gesetzen gefährdet, die die Freiheit der Person und des Gedankens,
der Schrift, der Rede und der Versammlungen behindern, indem sie sich
Unseren und Euren Wünschen widersetzt, die Wohltaten des Unterrichts
und der Erziehung zu verbreiten, indem sie endlich die Errichtung eines
verfassungsmäßigen, mit den Anforderungen des Fortschritts vereinbaren
Regimes verhindert.
Infolge der Kriegserklärung zwischen den Großmächten hat die
englische Regierung geglaubt, Uns die Rückkehr nach Ägypten, dem Sitz
Unserer khedivialen Gewalt, untersagen zu dürfen, indem sie Uns
aufforderte, Konstantinopel zu verlassen und Uns nach Italien zu
begeben. Wir haben diesen Vorschlag nachdrücklich zurückgewiesen,
indem Wir den schwersten Angriff erblickten, den England gegen die
Rechte des Khedivats unternommen hat. Er wurde auch von der Türkei, der
Suzeränmacht Ägyptens, als ein gegen die Kaiserlichen Firmane verstoßender
Akt betrachtet.
Da der Wunsch Seiner Majestät des Kalifen und seiner Regierung dahin
geht, diesem Firmanen zum Glück der Bewohner Ägyptens und des Sudans
Nachachtung zu verschaffen, hat der Beherrscher der Gläubigen
beschlossen, nach Ägypten eine hinreichend mächtige osmanische Armee
zu entsenden, um dort den Zustand vor 1882 wieder herzustellen. Ihr könnt
zu diesem Siege beitragen durch Eure Einigkeit und Eure wertvolle
Mithilfe.
Im Vertrauen auf den Erfolg, dank der Hilfe der göttlichen Vorsehung,
verkünden Wir, Khediv von Ägypten und Souverän des Sudans, schon
jetzt die Gewährung einer Verfassung, die alle politischen Rechte der
Nation festlegt. Wir verkünden ferner die Aufhebung der Gesetze, die
die Freiheit einschränken, die Wiedereinführung der Garantien für die
Unabhängigkeit des Richterstandes und die Amnestie für alle
politischen Verbrechen und Vergehen. Wir verkünden ebenso Unseren
Willen, den öffentlichen Unterricht entwickeln zu wollen, das Land auf
den Weg des moralischen und materiellen Fortschritts zu führen und
endlich alle Maßnahmen zu treffen, die allen Bewohnern Ägyptens und
des Sudans Sicherheit und Glück gewährleisten können.
Ägypter und Sudanesen! Meine lieben Kinder. Die Gelegenheit ist günstig,
nutzen wir sie aus. Eure Losung soll die Befreiung Ägyptens und die
Achtung der Personen und des Eigentums Fremder sein. Wir haben als Feind
nur die Besetzungsarmee und alle, die ihr Hilfe und Beistand leisten. Möge
der Allerhöchste Unsere auf Recht, Gerechtigkeit und Freiheit gegründeten
Wünsche verwirklichen.
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