Der Weltkrieg am 19. Dezember 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

RUSSISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Russische Kavallerie bei Pillkallen geschlagen

Großes Hauptquartier, 19. Dezember, vormittags.
Im Westen erfolgten gestern eine Reihe von feindlichen Angriffen. Bei Nieuport, Bixschoote und nördlich La Bassée wird noch gekämpft. Westlich Lens, östlich Albert und westlich
Noyon wurden die Angriffe abgeschlagen.
An der ostpreußischen Grenze wurde ein russischer Kavallerieangriff westlich Pillkallen zurückgewiesen. In Polen wurde die Verfolgung fortgesetzt.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Der Siegreiche Vormarsch in Südpolen

Wien, 19. Dezember, mittags.
Amtlich wird verlautbart:
Unsere über die Linie Krosno-Zakliczyn vorgerückten Kräfte trafen gestern neuerdings auf starken Widerstand. Auch an dem unteren Dunajec wird heftig gekämpft Die russischen Nachhuten, die an dem Westufer des Flusses zähe standhielten, sind fast vollständig vertrieben.
In Südpolen kam es zu Verfolgungsgefechten. Der Feind wurde ausnahmslos geworfen. Unsere schon gestern Abend in Jedraejow (Andrejew) eingedrungene Kavallerie erreichte die Nida. Weiter nordwärts überschritten die verbündeten Truppen die Pilica.
In den Karpathen ereignete sich - von kleineren für unsere Waffen günstig verlassenen Gefechten abgesehen - nichts.
Die Ausfalltruppen von Przemysl rückten nach der Erfüllung ihrer Aufgabe, von dem Gegner unbelästigt, unter Mitnahme von einigen hundert Gefangenen wieder in die Festung ein.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Generalmajor.
1)

 

 Der russische Heeresbericht:

Ein russischer Bericht

Petersburg, 19. Dezember. (W. B.)
Der Bericht des Großen Generalstabes von gestern lautet:
Auf dem linken Weichselufer ist fast auf der ganzen Front an Stelle der Angriffe, die der Feind mehrere Tage hindurch unternommen hatte und die wir alle zurückgewiesen haben, beinahe vollständige Ruhe eingetreten Im Zusammenhang mit der Bewegung eines Teiles unserer Truppen in der Richtung auf die Bzura und mit Rücksicht auf die immer noch andauernde Verstärkung der österreichisch-ungarischen Karpathentruppen mußten wir bestimmte Armeen entsprechend umstellen. Gestern hinderten wir die Offensive des Feindes in Westgalizien. Auf der Front Sanok - Lisko können wir erfolgreiche Offensivoperationen feststellen, wobei wir 300 Gefangene machten und mehrere Kanonen und Schnellfeuergeschütze erbeuteten

Zu diesem Bericht bemerkte die "Frankfurter Zeitung":
Etwas rascher als nach der Schlacht von Tannenberg, wo der russische Generalstab erst nach mehreren Tagen verkündigte, die Narewarmee habe eine "feste Verteidigungsstellung" eingenommen, gibt nunmehr der Feind für jeden, der zwischen den Zeilen zu lesen versteht, seine Niederlage zu. Die "Umstellung bestimmter Armeen" ist eine Umschreibung für den Rückzug, die kaum mehr das russische Publikum täuschen dürfte. Die offensichtlich erlogenen Einzelheiten über die Lage auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen und die vermutlich stark übertriebenen Angaben über die in einzelnen Gefechten erworbene Beute sind natürlich nur dazu bestimmt, den Lesern des russischen Bulletins die halbe Wahrheit, die darin steckt, noch etwas mehr zu verschleiern. Der deutsche Bericht gibt keine Einzelheiten, aber er stellt fest, daß auch gestern die Verfolgung fortgesetzt wurde Damit ist alles widerlegt, was die Russen zu ihrer eigenen Beruhigung erfunden haben.
2)

 

Ägypten britisches Protektorat

London, 19. Dezember. (W. B.)
Das Pressebureau teilt mit: Der Staatssekretär des Äußern zeigt an, daß angesichts des Kriegszustandes, der aus der Aktion der Türkei hervorgegangen, Ägypten unter den Schutz Seiner Britischen Majestät gestellt sei und hinfort ein britisches Protektorat bilden werde. Die Suzeränität der Türkei über Ägypten sei damit beendet. Die britische Regierung werde alle notwendigen Maßregeln zur Verteidigung Ägyptens und zum Schutze der Einwohner und ihrer Interessen ergreifen. Oberstleutnant Sir Arthur Henry Mac Mahon ist zum britischen Oberkommissar für Ägypten ernannt worden.

Genf 19. Dezember. (Priv.-Tel ) 
Nachdem die englische Regierung Frankreich von ihrer Absicht betreffend das Protektorat über Ägypten benachrichtigt hat, gab Frankreich auf Grund der französisch-englischen Erklärung vom 8. April 1914 betreffend Ägypten und Marokko diesem Plane seine Zustimmung, während England auf Grund der gleichen Erklärung das französische Protektorat über Marokko anerkannte und dem französisch-marokkanischen Vertrage vom 30. März 1912 beistimmte.
2)

 

Eine Proklamation des Khediven


Abbas Hilmi

Konstantinopel, 19. Dezember. (Priv.-Tel.)
Khediv Abbas Hilmi, der rechtmäßige Landesherr von Ägypten, hat in einer Proklamation an seine Untertanen folgendes kundgegeben:

An die Ägypter und Sudanesen!

Meine lieben Kinder!
Eine fremde Macht hält seit 32 Jahren unser treues und vielgeliebtes Land besetzt. Die so ungeduldig erwartete Stunde der Befreiung ist endlich angebrochen. Die Besetzung sollte nach den wiederholten Erklärungen der englischen Regierung und den feierlichen Versprechungen ihrer in erster Linie zuständigen Vertreter nur eine zeitweilige sein; sie sollte auch die Befestigung des Throns des Khediven zum Ziele haben. Die englische Regierung aber vergißt nicht nur ihre Versprechungen, das Land zu räumen, sondern sie mischt sich ungesetzlicherweise in die Verwaltungs- und die politischen Angelegenheiten ein, indem sie die Finanzen des Landes verschleudert, unsere souveränen Rechte über den Sudan mißachtet und in öffentlichen Verwaltungen die Landeskinder durch Engländer ersetzt, die Unabhängigkeit der Richter durch den Erlaß von Gesetzen gefährdet, die die Freiheit der Person und des Gedankens, der Schrift, der Rede und der Versammlungen behindern, indem sie sich Unseren und Euren Wünschen widersetzt, die Wohltaten des Unterrichts und der Erziehung zu verbreiten, indem sie endlich die Errichtung eines verfassungsmäßigen, mit den Anforderungen des Fortschritts vereinbaren Regimes verhindert.
Infolge der Kriegserklärung zwischen den Großmächten hat die englische Regierung geglaubt, Uns die Rückkehr nach Ägypten, dem Sitz Unserer khedivialen Gewalt, untersagen zu dürfen, indem sie Uns aufforderte, Konstantinopel zu verlassen und Uns nach Italien zu begeben. Wir haben diesen Vorschlag nachdrücklich zurückgewiesen, indem Wir den schwersten Angriff erblickten, den England gegen die Rechte des Khedivats unternommen hat. Er wurde auch von der Türkei, der Suzeränmacht Ägyptens, als ein gegen die Kaiserlichen Firmane verstoßender Akt betrachtet.
Da der Wunsch Seiner Majestät des Kalifen und seiner Regierung dahin geht, diesem Firmanen zum Glück der Bewohner Ägyptens und des Sudans Nachachtung zu verschaffen, hat der Beherrscher der Gläubigen beschlossen, nach Ägypten eine hinreichend mächtige osmanische Armee zu entsenden, um dort den Zustand vor 1882 wieder herzustellen. Ihr könnt zu diesem Siege beitragen durch Eure Einigkeit und Eure wertvolle Mithilfe.
Im Vertrauen auf den Erfolg, dank der Hilfe der göttlichen Vorsehung, verkünden Wir, Khediv von Ägypten und Souverän des Sudans, schon jetzt die Gewährung einer Verfassung, die alle politischen Rechte der Nation festlegt. Wir verkünden ferner die Aufhebung der Gesetze, die die Freiheit einschränken, die Wiedereinführung der Garantien für die Unabhängigkeit des Richterstandes und die Amnestie für alle politischen Verbrechen und Vergehen. Wir verkünden ebenso Unseren Willen, den öffentlichen Unterricht entwickeln zu wollen, das Land auf den Weg des moralischen und materiellen Fortschritts zu führen und endlich alle Maßnahmen zu treffen, die allen Bewohnern Ägyptens und des Sudans Sicherheit und Glück gewährleisten können.
Ägypter und Sudanesen! Meine lieben Kinder. Die Gelegenheit ist günstig, nutzen wir sie aus. Eure Losung soll die Befreiung Ägyptens und die Achtung der Personen und des Eigentums Fremder sein. Wir haben als Feind nur die Besetzungsarmee und alle, die ihr Hilfe und Beistand leisten. Möge der Allerhöchste Unsere auf Recht, Gerechtigkeit und Freiheit gegründeten Wünsche verwirklichen.
2)

 

Die Königs-Zusammenkunft in Malmö


Gustav V. von Schweden

Christian X. von Dänemark

Haakon VII. von Norwegen

Malmö, 19. Dezember. (W. B.)
Um 7 Uhr gestern Abend gab König Gustav zu Ehren der Könige von Dänemark und Norwegen ein Essen, an dem auch der Minister des Äußern und einige andere Geladene teilnahmen. Zur Rechten des Königs Gustav saß König Haakon, zur Linken König Christian. Nach dem Essen fand ein Konzert im Rathause statt, das, wie auch die übrigen Gebäude des Großen Marktes, glänzend illuminiert war. Pfadfinder mit Fackeln bildeten auf dem Wege von der Residenz zum Rathause Spalier. Eine tausendköpfige Menge begrüßte die Monarchen herzlich. Das Programm des Abends wies ausschließlich skandinavische Musik auf, die von Studenten und dem Orts-Chor vorgetragen wurde. Es herrschte begeisterte Stimmung. Draußen vor dem Rathause staute sich die Menge und brachte den Königen von neuem Ovationen dar. Nach der Rückkehr der Könige von Dänemark und Norwegen in ihre Quartiere war König Gustav, der auf dem Balkon erschien, noch besonderer Gegenstand begeisterter Huldigungen.

Malmö, 19. Dezember. (W. B.)
Nachdem die Könige an einem heute um 10 Uhr abgehaltenen Festgottesdienst teilgenommen hatten, besuchten sie die Bildungsanstalten und nahmen die Huldigung der Kinder entgegen. Um 10 Uhr fand eine Konferenz zwischen den Ministern des Äußern mir ihren Beamten statt. Um 1 ½ Uhr konferierten die Monarchen mit den Ministern zusammen, woraus einzelne Konferenzen der Könige mit ihren Ministern des Äußern und endlich eine gemeinsame Schlußsitzung der Könige und der Minister statt fand.
2)

 

Eine italienische Milliardenanleihe

Rom, 19. Dezember. (W. B.)
Ein heute veröffentlichter Erlaß ermächtigt die Regierung, eine innere Anleihe von einer Milliarde in Obligationen auszugeben, die, in 25 Jahren vom 1. Januar 1915 ab gerechnet, zurückgezahlt werde. Der Zinssatz ist 4½ Prozent, der Emissionspreis 97 vom Hundert. Die Zeichnungen sollen in den ersten zehn Januartagen stattfinden. Die Zeichnungen auf Stücke von 100 Lire müssen voll bezahlt werden, bei höheren Zeichnungen sollen zunächst 10 Prozent angezahlt werden, die Restzahlungen können am 1. April, 1. Juli und 1. Oktober 1915 stattfinden. Für die Dauer von zehn Jahren, also bis zum 1. Januar 1925, können die Obligationen der Anleihe nicht konvertiert und nicht zurückgekauft werden. In den fünfzehn darauffolgenden Jahren wird der Staatsschatz die Löschung der Anleihe bewirken.
2)

 

Der 1. Weltkrieg im Dezember 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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