Der Weltkrieg am 21. Mai 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Vergebliche Angriffe der Franzosen und Engländer

Großes Hauptquartier, 21. Mai.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Nördlich von Ypern griffen farbige Franzosen nachts unsere Stellung östlich des Kanals an. Der Kampf ist dort noch im Gange.
Ein am späten Abend beginnender Angriff der Engländer südlich Neuve Chapelle in Gegend La Quinque Rue brach in unserem Feuer zusammen. Nordöstlich Arras schossen wir bei Fresnoy ein feindliches Flugzeug herunter. Ein weiterer von den Franzosen gestern nachmittag im Walde von Ailly angesetzter Angriff scheiterte unter erheblichen Verlusten für den Feind, der einige Gefangene in unserer Hand ließ.
Östlicher Kriegsschauplatz:
In Gegend Szawle fanden nur kleinere Gefechte statt. An der Dubissa gelangte unser Angriff östlich Podubis bis Betygola, er brachte uns weitere 1500 Gefangene ein. Auch östlich Miloszajcie und Zemigola wurden die Russen über den Fluß zurückgeworfen, weiter südlich steht der Kampf. Die Reste der südlich des Njemen geschlagenen russischen Kräfte setzten ihre Flucht in Richtung auf Kowno fort.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Die Lage bei den deutschen Truppen ist unverändert. Östlich Jaroslau wurden gestern Gefangene gemacht, die nicht mit Gewehren, sondern nur mit Eichenkeulen ausgerüstet waren. Von der Armee des Generalobersten v. Mackensen und den übrigen im Verbande des österreichisch-ungarischen Heeres kämpfenden deutschen Truppen wurden seit dem 1. Mai 104000 Gefangene gemacht und 72 Geschütze sowie 253 Maschinengewehre erbeutet. Diese Zahlen sind in den bereits veröffentlichten Gesamtzahlen enthalten.

    Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Seit 2. Mai 194000 Russen in Galizien gefangen

Wien, 21. Mai, mittags.
Amtlich wird verlautbart:
Die Kämpfe an der Front in Mittelgalizien dauern fort. Die in der Sanstrecke abwärts Sieniawa noch am westlichen Flußufer haltenden russischen Abteilungen wurden über den Fluß zurückgeworfen. Östlich Jaroslau wiesen die verbündeten Truppen vereinzelte Vorstöße starker feindlicher Kräfte blutig ab. Die Gefangenenzahl nimmt weiter zu. In heftigen Nachtkämpfen erstürmten unsere Truppen östlich Drohobycz eine russische Stellung und eroberten den Ort Neudorf, hierbei wurden 1800 Gefangene gemacht.
Die russische Gegenoffensive über den Djnestr in Ostgalizien kam an der Pruthlinie zum Stehen. Die feindlichen Durchbruchsversuche bei Kolomea sind gescheitert. Alle Angriffe gegen diesen Brückenkopf wurden unter schwersten Verlusten des Feindes abgeschlagen.
In den Kämpfen im Berglande von Kielce, die stellenweise noch andauern, sind bisher 4000 Gefangene gemacht.
Seit 16. Mai ist die Gesamtsumme der Gefangenen um weitere 20000 Mann gestiegen; sie beträgt seit 2. Mai 194000 Mann.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
 v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
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Auch der italienische Senat für den Krieg

Rom, 22. Mai. 
Der Senat genehmigte mit 262 gegen 2 Stimmen den Gesetzentwurf betreffend außerordentliche Vollmachten für die Regierung. 

Rom, 21. Mai. 
Dem Parlament ist ein Grünbuch über die Verhandlungen mit Österreich-Ungarn zugegangen. Es enthält 77 Dokumente aus der Zeit vom 9. Dezember 1914 bis 3. Mai 1915. Seine Tendenz ist, Österreich als den formal und sachlich Schuldigen zu erklären, und die Notwendigkeit einer Neuorientierung der italienischen Politik aus der augenblicklichen Gefahr eines österreichisch-russischen Seperatfriedens herzuleiten, der die österreichische Armee gegen die italienische Armee freimachen würde.
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Die abgelehnte Entsendung des Grafen Goluchowski

Berlin, 21. Mai. 
Die bis jetzt vorliegenden Angaben über den Inhalt des italienischen Grünbuches lassen nicht erkennen, ob darin eine Tatsache erwähnt ist, die den ernsten Willen der österreichisch-ungarischen Regierung erweist, zu einer Verständigung mit der italienischen Regierung zu gelangen. Es ist die von dem Wiener Kabinett angebotene, aber von Herrn Sonnino abgelehnte Entsendung des Grafen Goluchowsky mit weitgehenden Vollmachten zur Führung der Verhandlungen. Am 2. Mai erklärte der italienische Minister des Äußeren auf eine wiederholte Anfrage des Wiener Kabinetts, ob die Entsendung des Grafen genehm sei, daß er dieselbe nicht für opportun halte, weil sie zu großes Aufsehen erregen würde. Am 4. Mai erfolgte die Kündigung des Dreibundvertrages in Wien. Hiernach ist es nicht aus Mangel an Entgegenkommen und Bereitwilligkeit zu ernsthaften Verhandlungen auf seiten der österreichisch-ungarischen Regierung zurückzuführen, daß die Lage damals eine weitere Verschärfung erfuhr. 
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Der Bruch des Dreibundvertrages durch den Tripoliskrieg

Budapest, 21. Mai. 
Der Wiener Berichterstatter des "Az Est" meldet: An unterrichteter Stelle bemerkt man bezüglich der Erklärung Salandras folgendes: Salandra erklärt, der Dreibundvertrag mußte gekündigt werden, weil Italien stets dem europäischen Frieden diente und Österreich-Ungarn durch die Kriegserklärung an Serbien das europäische Gleichgewicht zerstört habe. Darauf ist zu erwidern, daß Italien mit dem Tripoliskrieg den ersten Friedensbruch verübte. Der Dreibundvertrag setzte auch die territoriale Integrität der Türkei fest. Durch das tripolitanische Unternehmen setzte sich Italien über diesen Punkt des Vertrages hinweg. Doch weder die Monarchie noch Deutschland erblickten darin einen genügenden Grund zur Lösung des Vertrages. Salandra sagt, die Monarchie habe den siebenten Punkt des Vertrages verletzt, indem sie Italien von der Kriegserklärung an Serbien nicht vorher verständigt habe.
Demgegenüber ist festzustellen, daß die Monarchie über den Entschluß bezüglich Serbiens die italienische Regierung rechtzeitig verständigt und außerdem sich gegenüber dem römischen Kabinett formell verpflichtet hat, die territoriale Integrität Serbiens zu respektieren. Dies geht übrigens auch aus dem englischen Blaubuch hervor, das ein Telegramm des englischen Botschafters in Rom wiedergibt, demzufolge der italienische Minister des Äußeren ihm mitgeteilt habe, die Monarchie wünsche die territoriale Integrität Serbiens zu respektieren. In welcher Weise Italien das als heilig bezeichnete Prinzip des Balkangleichgewichts achtete, geht aus der italienischen Aktion in Albanien hervor. Die Haltung Italiens war, wie jetzt festzustellen ist, seit Ausbruch des Krieges nicht auf die Aufrechterhaltung des Friedens gerichtet. Mit seinem Protest gegen das serbische Ultimatum wartete Italien zehn Monate, nachdem es vorher seine Armee mobilisiert hatte. Italien legte seine Empörung auf Eis und holte sie hervor, nachdem die militärischen Vorbereitungen getroffen waren. Die Einwendungen Italiens können demnach nicht ernst genommen werden.
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Der türkische Heeresbericht:

Türkischer Erfolg auf Gallipoli

Konstantinopel, 21. Mai.
Das türkische Große Hauptquartier berichtet von der Dardanellenfront: 
Am 19. Mai wurden die befestigten Stellungen des Feindes bei Ari Burun angegriffen. Dank der wunderbaren Tapferkeit unserer Truppen wurde das vorgesetzte Ziel erreicht. Auf dem rechten und linken Flügel wurde der Feind aus seinen vorgeschobenen Stellungen verjagt. Im Zentrum näherten wir uns bis zu den Verschanzungen des Feindes und nahmen 2 Maschinengewehre. Am Nachmittag versuchte der Feind einen Gegenangriff unter dem Schutz seiner Schiffe gegen unseren rechten Flügel. Er wurde aber mit sehr starken Verlusten zurückgeschlagen. Die feindlichen Schiffe vor dem Eingang zur Meerenge tauschten gewohnheitsgemäß Schüsse mit unseren vorgeschobenen Batterien. Der Panzer "Charlemagne" wurde von einer Granate getroffen. Die feindlichen Artilleriestellungen und die Lager des Feindes bei Sed-ül-Bahr wurden von unseren Küstenbatterien wirksam beschossen, so daß der Feind gezwungen war, seine Artilleriestellungen zu ändern.
Von den übrigen Kriegsschauplätzen ist nichts Wichtiges zu melden. 
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Der 1. Weltkrieg im Mai 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 2
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

 

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