Der Weltkrieg am 30. Juni 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Die Verfolgung der Russen zwischen Bug und Weichsel - Kämpfe bei Arras und auf den Maashöhen

Großes Hauptquartier, 30. Juni.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Bei Arras fanden größere feindliche Unternehmungen auch gestern nicht statt. Hingegen machten wir in der Vertreibung des Gegners aus den Grabenstücken, die er im Laufe seiner wochenlangen Anstrengungen uns zu entreißen vermochte, weitere Fortschritte. Ein feindlicher Vorstoß im Labyrinth (nördlich Ecurie) wurde abgewiesen.
Durch fast ununterbrochene Angriffe auf den Maashöhen westlich von Les Eparges versucht der Gegner seit dem 26. abends vergeblich, die von uns eroberten Stellungen wiederzugewinnen. Auch gestern unternahm er vier heftige Vorstöße, die sämtlich unter großen Verlusten scheiterten.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Keine Ereignisse.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Unser Angriff an der Gnila-Lipa macht Fortschritte. Östlich und nordöstlich von Lemberg ist die Lage unverändert. Zwischen dem Bug und der Weichsel erreichten deutsche und österreichisch-ungarische Truppen die Gegend von Belz, Komarow, Zamocz und den Nordrand der Waldniederung des Tanewabschnittes. Auch auf dem linken Weichselufer in der Gegend von Zawichost und Ozarow hat der Feind den Rückzug angetreten.
Ein feindliches Flugzeug wurde hinter unserer Linie zum Landen gezwungen. Die Insassen wurden gefangengenommen

Oberste Heeresleitung. 1)


Der 1. Weltkrieg: Monfalcone im Isonzogebiet
Monfalcone im Isonzogebiet

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Italienische Angriffe am Isonzo abgeschlagen

Wien, 30. Juni.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
In Ostgalizien sind an der Gnila-Lipa und am Bug abwärts Kamionka-Strumilowa Kämpfe im Gange, die für uns erfolgreich verlaufen.
Zwischen Bug und Weichsel weicht der Gegner weiter zurück. Die seinen Rückzug deckenden Nachhuten wurden gestern überall angegriffen und geworfen. Unsere Truppen haben die Tanewniederung durchzogen und den Höhenrand bei Frampol und Zaklikow gewonnen.
Durch die Erfolge der verbündeten Armeen östlich der Weichsel gezwungen, räumen die Russen auch westlich des Flusses Stellung nach Stellung. So sind sie seit heute nacht aus ihrer starken Gefechtsfront Zawichost- Ozarow-Sienno wieder im Rückzuge gegen die Weichsel. Zawichost wurde von unseren Truppen besetzt.
Italienischer Kriegsschauplatz:
Nach mehrtägiger Pause entfalten die Italiener wieder eine lebhafte Tätigkeit an der Isonzofront. Vorgestern abend wiesen unsere Truppen einen Angriff bei Plava ab. Im Abschnitt Sagrado-Monfalcone folgte mehreren kleineren vergeblichen Vorstößen des Feindes in der vergangenen Nacht ein allgemeiner Angriff. Auch dieser wurde überall zurückgeschlagen. Ebenso erfolglos für den Gegner blieben heute morgen neuerliche Angriffsversuche bei Selz und Monfalcone.
Die Geschützkämpfe dauern an der ganzen Südwestfront fort und sind namentlich am Isonzo sehr heftig.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Als Antwort auf einen von den Serben durchgeführten Überfall bei Sabac bombardierte eines unserer Flugzeuggeschwader gestern früh die Werft Belgrads und das Truppenlager Orasac südwestlich Obrenowar mit sehr gutem Erfolg

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant. 1)

 

Der türkische Heeresbericht:

Vergebliche englisch-französische Angriffe bei Ari Burun

Konstantinopel, 29. Juni. 
Bericht des Hauptquartiers: 
An der Dardanellenfront griff der Feind am 28. Juni nachmittags bei Ari Burun nach heftigem Artilleriefeuer dreimal unseren linken Flügel an, wurde aber jedesmal unter außerordentlichen Verlusten zurückgeworfen, ohne einen Erfolg zu erzielen. Bei Sed-ül-Bahr griff der Feind, nachdem er in der Nacht vom 27. zum 28. Juni bis zum Morgen unsere Schützengräben auf dem rechten Flügel mit schwerer Artillerie beschossen hatte, am 28. Juni morgens diesen Flügel an. Wir warfen ihn durch unsere Gegenangriffe zurück. Auch durch seine in derselben Nacht gegen unseren linken Flügel gerichteten Angriffe erzielte der Feind keinen Erfolg. Am Nachmittag versuchte der Feind gegen unser Zentrum einen Angriff, der leicht zurückgewiesen wurde. Wir eroberten durch einen Gegenangriff zwei Linien feindlicher Schützengräben. Unsere anatolischen Batterien nahmen wirksam an dem Kampfe auf dem linken Flügel bei Sed-ül-Bahr teil und trugen beträchtlich zum Rückzuge des Feindes bei, indem sie ihm schwere Verluste zufügten. Dieselben Batterien brachten feindliche Batterien auf der Spitze von Tekke zum Schweigen. Unsere Flieger warfen mit Erfolg Bomben auf den feindlichen Flugplatz bei Sed-ül-Bahr.
Auf den übrigen Fronten hat sich nichts von Bedeutung ereignet. 

 

Ein Zarenerlaß über die Fortsetzung des Krieges

Zar Nikolaus II.
Zar Nikolaus II.

Petersburg, 30. Juni.
Ein kaiserliches Reskript an den Ministerpräsidenten Goremykin lautet:
Aus allen Teilen des Vaterlandes gelangen Stimmen zu mir, welche Zeugnis ablegen für den starken Willen des russischen Volkes, seine Kräfte dem Werke der Heeresausrüstung zu widmen. Ich schöpfe aus dieser nationalen Einmütigkeit die unerschütterliche Sicherheit einer strahlenden Zukunft. Der langandauernde Krieg verlangt immer neue Kraftanstrengungen; aber indem wir die wachsenden Schwierigkeiten überwinden und den unvermeidlichen Wechselfällen des Kriegsglücks die Stirn bieten, wollen wir in unseren Herzen den Entschluß befestigen und stählen, den Kampf mit Hilfe Gottes bis zum vollständigen Triumph des russischen Heeres zu führen. Der Feind wird niedergeschlagen werden rnüssen, sonst ist der Friede unmöglich. Mit festem Vertrauen in die unerschöpflichen Kräfte Rußlands erwarte ich, daß die Regierungs- und öffentlichen Einrichtungen, die Industrie Rußlands und alle treuen Söhne des Vaterlandes ohne Unterschied der Meinungen und Klassen solidarisch und einmütig arbeiten werden, um die Bedürfnisse unserer tapferen Armeen zu befriedigen. Dieses einzige und nunmehr nationale Problem soll alle Gedanken des einigen und in seiner Einigkeit unbesiegbaren Rußlands auf sich ziehen. Nachdem ich zur Erörterung der Approvisionierungsfragen einen besonderen Ausschuß unter Beteiligung von Mitgliedern der gesetzgebenden Kammern und von Vertretern der Industrie errichtet habe, erkenne ich es als notwendig, demzufolge den Zeitpunkt der Wiedereröffnung der gesetzgebenden Körperschaften zu beschleunigen, um die Stimme der russischen Erde zu hören. Und da ich die Wiederaufnahme der Tagungen der Duma und des Reichsrats spätestens für den Monat August beschlossen habe, betraue ich den Ministerrat damit, die durch die Kriegszeit notwendig gewordenen Gesetzentwürfe meinen Angaben gemäß auszuarbeiten

 

Der 1. Weltkrieg im Juni 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 2
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

 

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