Der Weltkrieg am 9. Juli 1916

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

Westfront 1. Weltkrieg: Deutsche Kriegsgefangene
Deutsche Gefangene aus dem schwer umkämpften Ort Herbécourt (Sommegebiet) erhalten von den Franzosen Getränke
Aufnahme vom 9. Juli 1916

Der deutsche Heeresbericht:

Englisch-französische Angriffe blutig abgewiesen

Vergeblicher russischer Ansturm bei Baranowitschi


Max von Mulzer
1893 - 1916

Großes Hauptquartier, 9. Juli.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Nördlich der Somme wurden die englisch-französischen Angriffe fortgesetzt. Sie wurden an der Front Ovillers-Wald von Mametz, sowie beiderseits von Hardecourt sämtlich sehr blutig abgewiesen, gegen das Wäldchen von Trônes stürmte der Gegner sechsmal vergeblich an, in das Dorf Hardecourt gelang es ihm einzudringen. Südlich der Somme steigerten die Franzosen ihr Artilleriefeuer zu größter Heftigkeit, Teilvorstöße scheiterten. 
Auf der übrigen Front fanden teilweise lebhafte Feuerkämpfe, feindliche Gasunternehmungen und Patrouillengefechte statt; bei letzteren machten wir östlich von Armentieres, im Walde von Apremont und westlich von Markirch einige Gefangene.
Leutnant Mulzer hat bei Miraumont ein englisches Großkampfflugzeug abgeschossen. Seine Majestät der Kaiser hat dem hochverdienten Fliegeroffizier in Anerkennung seiner Leistungen den Orden Pour le Mérite verliehen. Ein feindliches Flugzeug wurde südöstlich Arras durch Abwehrfeuer heruntergeholt, ein anderes, das nach Luftkampf südwestlich von Arras jenseits der feindlichen Linie abstürzte, durch Artilleriefeuer zerstört.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls Prinzen Leopold von Bayern:
Mehrmals wiederholten die Russen noch gegen die gestern genannten Fronten ihre starken Angriffe, die wieder unter größten Verlusten zusammenbrachen. In den Kämpfen der letzten beiden Tage haben wir 2 Offiziere, 631 Mann gefangen genommen.
Bei der Heeresgruppe des Generals v. Linsingen blieben an mehreren Stellen feindliche Vorstöße erfolglos.
Bei Molodeczno zum Abtransport bereit gestellte russische Truppen wurden ausgiebig mit Bomben belegt. Am 7. Juli wurde ein russisches Flugzeug östlich von Borowno (am
Stochod) im Luftkampf abgeschossen.
Balkankriegsschauplatz:
Nichts Neues.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der russische Vorstoß auf Baranowitschi

Baranowitschi, 9. Juli.
Das Städtchen Baranowitschi, in Friedenszeiten der Standort der russischen Eisenbahnbrigade, liegt am Schnittpunkt der Eisenbahnen Brest Litowsk-Minsk-Smolensk und Dünaburg-Wilna-Rowno. Lange Kriegsmonate war hier der Sitz des Hauptquartiers des Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch. Der Zar besuchte seinen obersten Heerführer des öfteren und versprach den Einwohnern, wenn die Stadt aus strategischen Gründen geräumt werden mußte, sie auf jeden Fall wiederzunehmen. Verschiedene Versuche, dieses Versprechen einzulösen, sind mißglückt, zuletzt und unter den schwersten Verlusten der Versuch vom 2. bis zum 8. Juli. Schon den ganzen Monat Juni spürte man bei den Russen Bewegung. Am 13. Juni prasselte ohne jedes vorherige Einschießen plötzlich Trommelfeuer auf den Abschnitt nordöstlich Stolowitschi in der Breite von 3 Kilometer. Nach vielstündiger Vorbereitung erfolgten Infanterieangriffe, die bis in unsere Gräben gelangten, aber in sofortigen Gegenstößen geworfen wurden. Auch das Eingreifen russischer Panzerautomobile half dabei den Russen nicht viel. Die russischen Verluste wurden von den Gefangenen auf allein über 8000 Tote beziffert; jedenfalls litt das russische Grenadierkorps ganz empfindlich. Batterien der damals infanteristisch nicht angegriffenen österreichisch-ungarischen Verbände wirkten bei der Sturmabwehr hervorragend mit. Schlesische Landwehr der Armee Woyrsch schlug, in vielen Kämpfen gestählt, den Gegner. Bis Ende Juni gingen dann bei vielfachen Artilleriekämpfen die russischen Angriffsvorbereitungen weiter. Namentlich in den letzten Junitagen entstanden von bereitgestellten Massen nächtlicherweile gebaute Sturmstellungen in Masse. Am 1. Juli beseitigten die Russen stellenweise ihre eigenen Drahthindernisse. Am 2. Juli 4 Uhr morgens begann das Trommelfeuer auf die Stellungen der österreichischen Verbände östlich von Gorodischtsche und dehnte sich bald nach Süden aus. Nachmittags kamen die ersten starken Infanterieangriffe östlich von Gorodischtsche, die abgeschlagen wurden. Während der ganzen Nacht lag auch bis tief herunter auf den gesamten Stellungen Trommelfeuer. Im Morgengrauen des 3. Juli erfolgten Massenangriffe genau östlich Baranowitschi, die die Höhe von Darowo auf dem westlichen Schtscharaufer erreichten. Im sofortigen Gegenstoß wurden die Russen geworfen. Angriffe bis zum Schtscharabogen bei Labusy und der Schtschara-Eisenbahnbrücke
bei Sarietrchje scheiterten. Nach den empfindlichen Verlusten trat bei den Russen kurze Ruhe ein. Am 4. Juli steigerte sich das Artillerieschießen um die Mittagstunde abermals zu Trommelfeuer. Infanterieangriffe im ganzen Baranowitschiabschnitt folgten. Die Russen gelangten abermals auf die Darowohöhe. Nach nächtlicher Artillerievorbereitung nahm am 5. Juli früh unser Gegenstoß in heftigem Nah- und Handgranatenkampf die Höhe zurück. Am 6. Juli ersetzten die Russen ihre hart mitgenommenen Verbände durch neue Truppen. Es kam aber nur zu Feuergefechten. Erst am 8. Juli früh schoben die Russen auf ihren Dutzenden von Schtscharabrücken die neuen Sibirier zu Angriffen in dichten Wellen vor. Den ganzen Tag dauerte das Abschießen der vielen Sturmlinien durch Artilleriesperrfeuer und Infanteriefeuer. Es nutzte den Russen auch nichts, daß wieder über 20 Batterien die Darowohöhe betrommelten. Auch alle russischen Versuche, aus nordöstlicher Richtung nach Südwesten zu über die Straße von Stolowitschi den Stoß anzusetzen, scheiterten äußerst blutig. Nur weiter nördlich vom Serwetschknie südlich Zirin und nordöstlich Gorodischtsche bis herab zum Koldytschewosumpf - Abschnitt erzielten die Russen Fortschritte, wurden aber von den österreichischen Truppen bei weiterem Vorstoßen angehalten und zurückgeworfen. Im übrigen hat die schlesische Landwehr des Generalobersten von Woyrsch ihren alten Ruf glänzend bewährt.
Die Russen haben in dem ersten Julidrittel hier ganz außerordentlich blutige Verluste gehabt, denen auf unserer Seite relativ sehr geringe Einbußen gegenüberstehen.

Dr. Fritz Wertheimer, Kriegsberichterstatter. 2)

 

Die durch italienisches Artilleriefeuer zerstörte Kirche von Ranziano
Die durch italienisches Artilleriefeuer zerstörte Kirche von Ranziano

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Der Übergang über die Moldawa erkämpft

Wien, 9. Juli.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
In der Bukowina erkämpften unsere Truppen, ihnen voran das Westgalizische Infanterie
Regiment Nr. 13, bei Breaza den Übergang über die Moldawa. 
Südwestlich von Kolomea fühlen russische Abteilungen über Mikuliczyn vor. 
Sonst in Ostgalizien bei unveränderter Lage keine besonderen Ereignisse. In Wolhynien und bei Stobyckwa am Stochod werden russische Vorstöße abgeschlagen. Nordöstlich von Baronowicze brachen vor der Front der verbündeten Truppen abermals starke russische Angiffskolonnen zusammen. 
Unsere Flieger warfen nordwestlich von Dubno auf eine erwiesenermaßen nur von einem russischen Korpsstabe belegte Gehöftegruppe Bomben ab. Der Feind hißte auf den bedrohten Häusern ungesäumt die Genfer Flagge.
Italienischer Kriegsschauplatz:
Das Geschützfeuer an der Isonzofront hält an. Görz und Ranziano wurden in dem Abschnitte heftig beschossen; bei letzterem Orte wählte sich die feindliche Artillerie das deutlich gekennzeichnete Feldspital als Hauptziel. Kleinere Angriffsunternehmungen der Italiener gegen den Görzer Brückenkopf und den Rücken östlich von Monfalcone mißlangen. Nachts belegte ein Geschwader unserer Seeflugzeuge Pieris, dann Canziano, Bestrigna und die Adriawerke mit Bomben. Unsere Front südlich des Suganertales stand unter starkem Artilleriefeuer. Zu Infanteriekämpfen kam es gestern in diesem Abschnitt nicht.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
An der unteren Vojusa seit einigen Tagen wieder erhöhte Artillerietätigkeit. Stellenweise Feuer aus schweren Geschützen.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
1)

 

Der türkische Heeresbericht:

Konstantinopel, 9. Juli. (W. B.)
Bericht des Hauptquartiers: 
An der Irakfront war Ruhe. 
Unsere Erkundungsabteilungen bekamen Fühlung mit den aus Kermandschah vertriebenen russischen Kräften, 25 Kilometer östlich davon auf dem Wege nach Hamadan. Russische Kräfte in der Umgebung von Sineh wurden durch unsere Freiwilligen angegriffen, nach siebenstündigem Kampfe geschlagen und gezwungen, sich nach Sineh zu flüchten, wo sie von unseren Freiwilligen belagert werden. Der Feind hatte während dieses Kampfes einen Verlust von 100 Toten, darunter 2 Offizieren. 
An der Kaukasusfront ist die Lage auf dem rechten Flügel unverändert im Zentrum Artilleriezweikampf. Im Tschorok - Abschnitt scheiterte die Offensivtätigkeit der Russen gegen die Flanke unserer Streitkräfte, die von diesen seit einigen Tagen fortwährend gegen Norden in der Absicht, unseren Vormarsch aufzuhalten, unternommen worden war, vollständig. Durch eine Gegenoffensive nahmen wir einige Geländeteile von lokaler Bedeutung, die während der vorerwähnten Angriffe in die Hände des Feindes gefallen waren, wieder und erbeuteten eine große Menge von Munition und Kriegsmaterial. Angriffe an gewissen Stellen des linken Flügels gegen unsere Vorposten wurden mit Verlusten für den Feind leicht zurückgeschlagen. 
"Yavus Selim" und "Medilli" griffen eine Abteilung feindlicher Transportschiffe an den Ufern des Kaukasus an, versenkten vier Schiffe und mehrere Segelschiffe, beschossen die neuen Hafenanlagen von Tuabe südöstlich von Noworossisk und verursachten eine Feuersbrunst in einem großen Petroleumdepot sowie in anderen dort befindlichen Gütern. Sie trafen auf ihrer Fahrt kein feindliches Schiff. 
Ein Monitor schleuderte aus weiter Entfernung einige unwirksame Granaten gegen die Insel Kensten und entfernte sich dann. Ein feindliches Torpedoboot, das sich Fotsche näherte, wurde durch das Feuer unserer Artillerie vertrieben. Am 7. Juli kam ein englisches Flugzeugmutterschiff und ein französisches Torpedoboot von Beirut an. Ein Flugzeug stieg von den Schiffen auf und warf Bomben auf die Umgebung des Hafens, wobei drei Personen der Zivilbevölkerung verletzt wurden.
2)

 

Die Aufhebung der Londoner Seerechtsdeklaration

London, 9. Juli.
Reuter meldet: In Übereinstimmung mit der kürzlich im Parlament gemachten Mitteilung enthält die "London Gazette" eine Veröffentlichung folgenden Inhalts: "Da die sich folgenden königlichen Verfügungen über die Blockade Anlaß zu Mißverständnissen geben könnten, und da es in der Absicht Englands und seiner Verbündeten liegt, in vollkommener Übereinstimmung mit dem Völkerrecht zu handeln, beschließt Se. M. hiermit, daß die Londoner Erklärung und die königlichen Verfügungen, die diese Erklärung ändern, aufgehoben werden. Folgende Vorschriften haben von nun an Geltung: Als bestimmt für den Feind werden angenommen und demgemäß als Konterbande behandelt, bis das Gegenteil bewiesen wird: a) die Artikel, die an eine feindliche Behörde oder an einen Agenten eines feindlichen Staates adressiert sind, oder die an eine Person adressiert sind, die im feindlichen oder durch den Feind besetzten Gebiete wohnt, oder die an eine Person gehen, die während des jetzigen Krieges Konterbandegüter an eine feindliche Behörde oder den Agenten eines feindlichen Staates geliefert hat, auch wenn diese Güter per Ordres konsigniert sind, oder wenn die Schiffspapiere nicht ausweisen, wer der wirkliche Adressat ist; b) das Prinzip der fortgesetzten Reise oder der Endbestimmung wird sowohl im Falle der Konterbande, als in Blockade-Angelegenheiten angewandt werden; c) ein neutrales Schiff, das Konterbande transportiert, dessen Schiffspapiere eine neutrale Bestimmung angeben, das jedoch nach einem feindlichen Hafen fährt, wird der Beschlagnahme und der Verurteilung ausgesetzt, falls es vor Ablauf seiner Reise angehalten wird; d) ein Schiff, das Konterbande transportiert, wird sich der Beschlagnahme und der Verurteilung aussetzen, wenn die Konterbande ihrem Gewicht, Volumen oder Preise nach mehr als die Hälfte der Gesamtladung beträgt. Die Fälle, die jetzt noch vor einem Prisengericht anhängig sind und deren Behandlung begann, bevor diese Verfügungen erlassen waren, können, wenn der betretende Gerichtshof es für nötig erachtet, noch nach den Regeln der jetzt aufgehobenen königlichen Verfügungen behandelt werden."
2)

 

Der 1. Weltkrieg im Juli 1916

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TEXTQUELLEN:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen
Nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus
4. Band
Nationaler Verlag, Berlin SW 68
(1916)

2) "Frankfurter Zeitung" (1916)

 

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