An
das deutsche Volk!
Die Not der Zeit
lastet auf der Welt und auf dem deutschen Volk. Wir müssen diese
schweren Tage und ihre Folgen überwinden. Heute schon müssen
wir arbeiten für die glücklicheren Zeiten, auf die das deutsche
Volk ein Anrecht hat. Die neue Regierung ist am Werk, diese Arbeit zu
leisten. Wichtiges ist erreicht: Das gleiche Wahlrecht in Preußen
ist gesichert.
Eine neue Regierung hat sich aus den Vertretern der Mehrheitsparteien
des Reichstages gebildet.
Der Reichskanzler und seine Mitarbeiter bedürfen zu ihrer Amtsführung
des Vertrauens des Reichstages und damit des Volkes.
Grundlegende Rechte sind von der Person des Kaisers auf die Volksvertretung
übertragen worden.
Kriegserklärung und Friedensschluß unterliegen der Genehmigung
des Reichstages.
Die Unterstellung der Militärverwaltung unter den verantwortlichen
Reichskanzler ist durchgeführt.
Eine weitgehende Amnestie ist erlassen.
Preßfreiheit und Versammlungsrecht sind gewährleistet.
Doch vieles bleibt noch zu tun.
Die Umwandlung Deutschlands in einen Volksstaat, der an politischer Freiheit
und sozialer Fürsorge hinter keinem Staate der Welt zurückstehen
soll, wird entschlossen weitergeführt.
Die Neugestaltung kann ihre befreiende und heilende Wirkung nur ausüben,
wenn sie einen Geist in den Verwaltungs- und Militärbehörden
findet, der ihre Zwecke erkennt und fördert. Wir erwarten von unseren
Volksgenossen, die in amtlicher Stellung das Gemeinwesen zu bilden berufen
sind, daß sie uns willige Mitarbeiter sein werden.
Wir brauchen in allen Teilen des Staates und des Reiches die Aufrechterhaltung
der öffentlichen Sicherheit durch das Volk selbst. Wir haben Vertrauen
zu dem deutschen Volk. Es hat sich in vier furchtbaren Kriegsjahren glänzend
bewährt. Es wird sich nicht von Phantasten sinnlos und nutzlos in
neues Elend und Verderben hineintreiben lassen.
Selbstzucht und Ordnung tuen not.
Jede Disziplinlosigkeit wird den Abschluß des baldigen Friedens
auf das schwerste gefährden.
Die Regierung und mit ihr die Leitung von Heer und Flotte wollen den Frieden,
sie wollen ihn ehrlich und sie wollen ihn bald. Bis dahin müssen
wir die Grenzen vor dem Einbruch des Feindes schützen. Den seit Wochen
in harten Kampf stehenden Truppen muß durch Ablösung Ruhe geschaffen
werden. Nur zu diesem Zweck, aus keinem anderen Grunde, sind die Einberufungen
der letzten Zeit durchgeführt worden.
Den Mannschaften des Landheers und der Flotte wie ihren Führern gebührt
unser besonderer Dank. Durch ihren Todesmut und ihre Manneszucht haben
sie das Vaterland gerettet.
Zu den wichtigsten Aufgaben gehört der Wiederaufbau unserer Volkswirtschaft,
damit die von der Front in die Heimat zurückkehrenden Soldaten und
Matrosen in geordneten Verhältnissen die Möglichkeit vorfinden,
sich ihre und ihrer Familie Existenz wieder zu sichern. Alle großen
Arbeitgeberverbände haben sich bereit erklärt, ihre frühern,
jetzt eingezogenen Angestellten und Arbeiter sofort wieder einzustellen.
Arbeitsbeschaffung, Erwerbslosenunterstützung, Wohnungsfürsorge
und andere Maßnahmen auf diesem Gebiete sind teils in Vorbereitung,
teils schon ausgeführt. Mit dem Friedensschluß wird sich bald
eine Besserung der Nahrungs- wie aller anderen Verhältnisse einstellen.
Deutsche Männer und Frauen! Kampf und Frieden sind unsere gemeinsame
Aufgabe. Staat und Reich sind unsere gemeinsame Zukunft. Euer Vertrauen,
das unentbehrlich ist in der Stunde der Gefahr, ist in Wahrheit nichts
anderes als das Vertrauen des deutschen Volkes zu sich selbst und zu seiner
Zukunft. Die gesicherte Zukunft Deutschlands ist unser Leitstern.
Berlin, den 4.
November 1918.
Reichskanzler Max,
Prinz von Baden.
Der Stellvertreter des Reichskanzlers von Payer.
Der Vizepräsident des preußischen Staatsministeriums Dr. Friedberg.
Die Staatssekretäre: Dr. Solf, Graf von Roedern,
Dr. von Krause, Rüdlin, von Waldow, Freiherr
von Stein, Scheidemann, Groener, Erzberger,
Haußmann, Bauer, Trimborn, der Staatssekretär des
Reichsmarineamts Ritter von Mann, der Kriegsminister
Scheüch.
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