Berichte
aus dem deutschen Großen Hauptquartier vom 23. und 24. Dezember
1916
Monatelang
haben die deutschen Heeresberichte der Heimat von dem gewaltigen Ringen
südlich und nördlich der Somme Kunde gegeben, - von der beispiellosen
Tapferkeit, mit der unsere Truppen übermächtigen Angriffen standgehalten,
dem dichtesten Stahl- und Eisenhagel Trotz geboten, von der todesmutigen
Ausdauer, mit der sie jedes Geländestück bis zum Äußersten
verteidigt haben. Und die Heimat hat mit Recht den Siegeslorbeer um die
Stirn unserer Sommekämpfer gewunden, welche die feindlichen Anstrengungen
eines ganzen Jahres zunichte gemacht, Leib und Leben hingegeben haben,
so daß auch Ende 1916 die deutsche Mauer vom Kanal bis zu den Alpen
noch fest stand wie zuvor.
Es wäre aber unrecht, wollten wir über dem großen Schauspiel
der Sommeschlacht die Kämpfer an den übrigen Abschnitten der
Westfront vergessen. Wohl waren sie - von Verdun abgesehen - fast seit
einem Jahr in keinerlei Kampfhandlungen großen Maßstabs verwickelt,
aber trotzdem waren die Kräfte der deutschen Truppen an fast allen
Frontabschnitten im aufreibenden Kleinkrieg immer aufs äußerste
angespannt. Oft trennen nur ganz wenige Meter die Stellungen voneinander.
Das erfordert von den Truppen fast ein Übermaß von Anspannung
aller Kräfte und Nerven. Und aufreibender fast noch als der Krieg
auf und über der Erde ist der in den Stollen und Schächten tief
unter dem Boden. Unaufhörlich werden Kräfte verbraucht, und
hinter den nüchternen Worten "Patrouillenunternehmung",
"Minensprengung", "Abweisung eines feindlichen Unternehmens",
die der Heimat im Heeresbericht begegnen, verbirgt sich eine Unsumme von
Arbeit, Hingebung, Ausdauer und Tapferkeit, die über den großen
Entscheidungsschlachten nicht vergessen werden darf.
Wenn das von einem Abschnitt gilt, so von dem zwischen Arras und La Bassée,
der unmittelbar nördlich des Somme-Kampfgebietes gelegen ist. Es
handelt sich hier um das Hügelgelände etwa zwischen dem Scarpefluß
im Süden und dem Kanal von La Bassée im Norden. Die Hügel
fallen nach Norden etwas ab. Ungefähr in der Mitte der Hügelkette
stößt von Nordwest nach Nordost die vielgenannte beherrschende
Lorettohöhe heran, ihr gegenüber streicht der etwas niedrigere
Höhenzug um Vimy fast in gleicher Richtung. dieser Höhenzug
bildet die letzte Erhebung nach der großen Ebene von Douai hin.
Der Boden besteht aus einer Lehmschicht über Kreideboden, vielfach
von Wasseradern durchzogen, die dem Ausbau der Stellungen erhebliche Schwierigkeiten
machen. Das ganze Gebiet ist dicht besetzt von den Anlagen und Arbeiterkolonien
großer Kohlenbergwerke, auf deutscher Seite mit der Stadt Lens als
Mittelpunkt.
Dieses Hügelgelände ist wohl einer der heißumstrittensten
Abschnitte der ganzen Westfront. Seit den Tagen, da nach der Marneschlacht
im September 1914 die deutsche Linie zum Stehen kam, kehren die Namen
St. Laurent, Neuville, Souchez, Angres, Loos und andere in unseren Heeresberichten
immer wieder, und da, wo wir feindlicher Übermacht nachgeben mußten,
zieht sich unsere Front nur um ein geringes hinter der ursprünglichen
Stellung hin. Noch Ende 1916 lag die so heiß umkämpfte Lorettohöhe,
von deren mit den schwersten Opfern erkämpften Inbesitznahme im Mai
1915 unsere Feinde sich so viel versprochen hatten, kaum 2 km vor den
deutschen Gräben. Und das obwohl die vereinigten Engländer und
Franzosen auf diesen Abschnitt drei große Offensiven richteten,
durch die sie, koste es, was es wolle, gerade hier die deutsche Mauer
durchstoßen wollten.
Die deutsche Verteidigung des Abschnittes Arras - La Bassée ist
neben der des Somme-Abschnittes einer der deutlichsten Belege dafür,
daß alle feindlichen Versuche, die Deutschen aus Frankreich zu verdrängen,
vergeblich bleiben werden. Denn was Engländer und Franzosen in mehr
als 2 Jahren an Energie jeder Art, an Menschen und Material, an Kräften
auf, über und unter der Erde auf diese wenigen Kilometer Front aufgewendet
haben, ist kaum mehr zu überbieten.
Der erste Ansturm erfolgte im Zusammenhang mit dem ersten allgemeinen
Angriff der Franzosen auf der ganzen Front im Dezember 1914. Das eigentliche
Ziel, die deutschen Linien zum Wanken und Weichen zu bringen, wurde wie
überall, auch hier nicht erreicht. Das Ergebnis war für die
Franzosen nur ein ganz geringer Geländegewinn im nördlichen
Teil des Abschnittes beim Kanal La Bassée; im mittleren und südlichen
Teil, wo die Lorettohöhe und die um deren Ostabhang herumgelagerten
Orte Ablain, Carency und Neuville im Brennpunkt der Kämpfe standen,
wurden die Angriffe völlig abgewiesen.
Anfang Mai 1915 versuchten die Franzosen gemeinsam mit den Engländern
den Durchbruch zum zweitenmal, und zwar jetzt unter Konzentrierung aller
verfügbaren Kräfte auf diesen einen Abschnitt. Das Ziel war
ausgesprochenermaßen, in die dahinter liegende Ebene Lille-Douai
durchzustoßen. Die Kämpfe, welche die Engländer gegen
La Bassée, die Franzosen gegen den Lorettoabschnitt führten,
setzten nach vorausgegangener starker Artillerievorbereitung am 9. Mai
ein. Man hat sie als die erste große Schlacht bei La Bassée
und Arras bezeichnet. Aber trotz des Einsatzes von 25 Divisionen erreichte
der Feind nur wieder etwas Geländegewinn, indem wir unsere Stellung
von der Lorettohöhe auf das östlich anschließende Souchez
zurücknehmen mußten. Schon Mitte Mai flauten die Infanterieangriffe
ab, am Ende der ersten Juniwoche gab der französische Oberbefehlshaber
das mißglückte Unternehmen ganz auf.
Mit noch viel stärkerem Einsatz, 18 französischen und 23 englischen
Divisionen, erfolgte der dritte Ansturm im September 1915, und zwar gleichzeitig
mit der Offensive in der Champagne. Engländer und Franzosen hatten
sich in das Unternehmen wieder annähernd in derselben Weise geteilt
wie im Mai. Merkwürdigerweise aber griffen am 25. September die Engländer
zunächst allein an. Infolge heftigen Gasabblasens, gegen das unsere
Schutzmittel damals noch unwirksam waren, gelang es ihnen, bei Loos, unmittelbar
südlich des La Bassée-Kanals, auf einer Breite von etwa 6
km in unsere Stellung einzudringen. Bald aber war der Angriff zum Stehen
gebracht; irgendwelche Früchte gab es für die Angreifer nicht
zu ernten, als daß wir unsere Stellung um Loos entsprechend zurückbogen.
Ein zweiter großer englischer Angriff am 26. September nördlich
Loos, bei dem 20 bis 30 Wellen gegen unsere Stellungen anliefen, brach
unter allerschwersten Verlusten für die Engländer zusammen.
An beiden Tagen hatten die Franzosen nur Teilvorstöße gemacht.
Einen wirklich großen Angriff unternahmen sie erst am 28. Ihr Erfolg
bestand lediglich aus Geländezuwachs auf den Höhen von Vimy.
Das völlig zerschossene Souchez wurde von den Deutschen freiwillig
geräumt und die Stellung auf die Höhe unmittelbar östlich
davon zurückgenommen. Französische und englische Teilangriffe,
die bis 13. Oktober fortgesetzt wurden, brachten keine Veränderungen
mehr. So endete auch diese zweite große Schlacht um La Bassée
und Arras mit einem völligen Mißerfolg, von der Erreichung
des Hauptziels, des Durchbruchs, gar nicht zu reden.
Hatten die deutschen Truppen schon bei diesen großen Schlachten
mehrmals den Angreifern die eigene Offensivkraft zu spüren gegeben,
so mußten die Franzosen diese erst recht im Januar und Februar 1916
erfahren, da es den Deutschen gelang, wesentliche Teile des südwestlich
Vimy verlorenen Geländes zurückzuerobern. Es gelang dies durch
ausgedehnte Minensprengungen. Vor allem wurde St. Laurent unmittelbar
nordöstlich Arras zurückgewonnen, ferner bei Souchez der nördliche
Ausläufer der Vimy-Höhe, die sogenannte Giesler-Höhe. Die
Franzosen suchten sich mit starken Gegenangriffen zu wehren, die jedoch
mit außerordentlich schweren Verlusten für sie scheiterten.
So war das Endergebnis der fast anderthalbjährigen, unter größtem
Aufwand seitens des Feindes geführten Kämpfe zwischen Arras
und La Bassée nichts weiter als eine Zurückdrängung der
deutschen Linie um 1 bis 2 km; nur der Bogen um Loos liegt etwa 4km von
der ursprünglichen Linie ab. |