Die Schlacht an der Somme im Monat Juli 

 

Zusammenfassende Berichte aus dem deutschen Großen Hauptquartier vom 22., 24. und 25. August 1916

I.

Als nach dem ersten stürmischen Anprall der deutschen Heere unsere Front im Westen aus strategischen Gründen an die Aisne zurückverlegt war, entstand in den Herbstmonaten 1914 jene Linie, die, bei Noyon in den bekannten scharfen Winkel umbiegend, sich bis zum Meere erstreckt. Indem sie sich von Punkt zu Punkt vorknorpelte, ging der Bewegungskrieg allmählich in die Form des Stellungskrieges über. Beide Gegner "bauten ihre Stellung aus", verwandelten sie in ein genau den örtlichen Verhältnissen angepaßtes, kunstvolles, nach der Tiefe gegliedertes System von Schützengräben mit vorgelegten Drahthindernissen, nach rückwärts mit den erforderlichen Verbindungs- und Annäherungsgräben.
Der Abschnitt, den unsere Gegner für ihre neuen und gewaltigen Anstrengungen auserwählt hatten, ist in der Luftlinie etwa 40 Kilometer breit; er erstreckt sich in der Picardie zwischen den Dörfern Gommecourt, westnordwestlich Bapaume, und Vermandovillers,
südwestlich Péronne. Die beiden genannten Städte bildeten das Angriffsziel. Das Gelände ist eine teilweise leicht, teilweise kräftig gewellte Ebene, fruchtbar und gut angebaut, mit vielen wohlhabenden Dörfern und wenigen kleinen Waldparzellen durchsetzt. Zwei Wasserläufe bilden starke Einschnitte. Zunächst der Sommefluß. Er läuft in kanalisiertem Zustande durch eine versumpfte Niederung von Süden her bis an die Stadt Péronne heran, dann mit starken Windungen in hauptsächlich westlicher Richtung. Zwischen den Dörfern Curlu und Eclusier unterbrechen seine Windungen mit den von ihnen umschlossenen Sumpfwiesen auf eine Breite von vier Kilometern senkrecht das beiderseitige Grabensystem, an dessen Stelle hier nur Drahthindernisse vorhanden waren. Einen ähnlichen, allerdings nicht ganz so bedeutungsvollen Einschnitt bildet der Ancre-Bach, welcher von Nordosten nach Südwesten durch die Stadt Albert hindurch der Somme zuströmt, die er hinter der feindlichen Front westlich Corbie erreicht. Seine Niederung durchschneidet zwischen den Dörfern Thiepval und Hamel die hier etwas nach Südwesten zurückgebogenen beiderseitigen Ausgangsstellungen.
So gliedert sich das Gebiet der Somme-Schlacht in drei Abschnitte: den Nordabschnitt
von Gommecourt bis Hamel, den mittleren Abschnitt von Thiepval bis Curlu und den Südabschnitt vom Südrand von Frise bis Vermandovillers, der alten Hauptstadt der Viromanduer. Die Dörfer und Waldstücke des Schlachtfeldes wurden zu Stütz- und Brennpunkten des gewaltigen Ringens.
Die feindliche Stellung war 1½ Jahre lang ganz von Franzosen besetzt gewesen, bis die Engländer einen Teil übernahmen. Der Punkt, an welchem sich die englische und die französische Front berührten, liegt auf einer Stelle, welche man etwa findet, wenn man eine gerade Linie vom Nordrande von Combles nach dem Südrande von Carnoy zieht.

 

II.

Der Angriff auf eine derartig befestigte Feldstellung bedarf erheblicher Vorbereitungen. Anzeichen wurden von unseren Truppen schon etwa Mitte Mai 1916 beobachtet. Von Ende Mai an wurde erhöhte Erkundungstätigkeit angeordnet, der gegenüber der Feind sehr wachsam war. Verschiedene Patrouillenunternehmungen mißglückten daher. Bei anderen, erfolgreichen Aufklärungsversuchen wurden Gefangene eingebracht, wobei man feststellen konnte, daß der Gegner seine Grabenbesatzungen zusammenschob und verstärkte. Unsere Flieger erkannten hinter der feindlichen Front erhöhte Tätigkeit, eine Menge neuer Feldbahnen und Unterkunftsanlagen. Das alles gestattete aber noch keinen sicheren Schluß auf Stärke und Umfang des bevorstehenden Angriffs. Denn der Feind entfaltete zugleich auch auf der übrigen Front eine lebhafte Tätigkeit, um seine Absichten zu verschleiern. Volle Klarheit kann erst der tatsächlich einsetzende Angriff liefern.
Das erste bestimmte Anzeichen der feindlichen Absichten war das Einsetzen einer starken Artillerievorbereitung, die sich vom 22. Juni ab zu immer größerer Heftigkeit steigerte. Es wurde nun erkennbar, daß der Feind auf schmalem Raum sehr viele Geschütze, darunter auch schwere Schiffsgeschütze, angehäuft hatte. Der taktische Zweck einer solchen Beschießung ist, die ausgebauten Stellungen, insbesondere die deckenden Unterstände und Stützpunkte sowie die vorgelagerten Drahthindernisse, endlich auch die Ruhestellungen hinter der Front und die Annäherungswege so vollständig wie möglich zu zerstören und die Widerstandskraft der Verteidiger gründlich zu erschüttern. Dieses Wirkungsfeuer wurde dadurch unterstützt, daß der Feind auch vielfach Gasgranaten verwandte und in den Pausen seines Sperrfeuers bei geeigneter Luftströmung Gas über unsere Stellung hinstreichen ließ. Den Verteidigern, deren Nerven durch das vieltägige Trommelfeuer ohnehin einer starken Belastungsprobe ausgesetzt waren, brachte das den weiteren Nachteil, daß sie während des erschöpfenden Wartens auf den Angriff auch noch beständig die Gasmaske tragen mußten. Vom 25. bis 30. Juni steigerte sich die Beschießung zu einem ununterbrochenen Trommelfeuer. Es richtete sich gegen die ersten und zweiten Stellungen und die Artilleriestellungen sowie gegen die Sommebrücken. Nach diesem siebentägigen Trommelfeuer hatten die Gräben der gesamten Angriffsfront stark gelitten.

 

III.

Am 1. Juli 1916 morgens fünf Uhr schwoll auf der ganzen Front von Gommecourt bis Vermandovillers, am meisten aber unmittelbar nördlich und südlich der Somme das Trommelfeuer zu unerhörter Heftigkeit an. Verderbendrohend wälzten sich Gaswolken ihm nach. Von neun Uhr an ward es deutlich, daß der Sturm unmittelbar bevorstand: das Feuer prasselte hauptsächlich auf die vorderen Gräben. Um zehn Uhr 30 Minuten verlegte der Feind es auf unsere zweite Stellung, und gleich darauf erfolgte auf der ganzen Linie der allgemeine Sturm.
In einem Teil der berannten Stellungen fielen dem Feind Gefangene anheim; zerschossene Maschinengewehre und eingebaute Geschütze älterer Art wurden seine leichte Beute - diese selbstverständlich im letzten Augenblick von den Verteidigern gesprengt.
Das Feuer der französischen Artillerie wurde durch Flieger gelenkt, die aus geringer Höhe Bomben auf unsere Schützengräben warfen. Unsere Divisionen auf dem rechten Flügel des Südabschnittes hatten am Abend des ersten Schlachttages einen starken Ausfall an Artillerie.
Trotzdem bedeutete für die Angreifer der erste Kampftag eine Enttäuschung. Aus allen Gefangenenaussagen geht hervor, daß Engländer wie Franzosen des festen Glaubens gewesen waren, der siebentägige Eisenhagel müsse die Widerstandskraft der Verteidigung bis auf den letzten Rest zertrümmert haben. Sie waren auf einen "Spaziergang" gefaßt gewesen und fanden trotzigen, hartnäckigen Widerstand, mußten sehen, wie der vernichtet geglaubte Feind schwere blutige Verluste in ihre Reihen riß. Unsterblich wird der Ruhm der Männer bleiben, die nach solcher Tage Höllengraus noch unverzagt dem Feind die Stirn geboten, seine Pläne gleich im Beginn zerschlagen haben. In der Dankbarkeit des Volkes leben die ihrem Posten bis zum Tod Getreuen fort, denen der einstürzende Graben das Ehrengrab geworden ist.
An diesem ersten Tage des großen Angriffs haben die deutschen Truppen den nördlichen Abschnitt bis zur großen Straße Albert - Bapaume in seinem ganzen Umfange gehalten. Südlich der Straße gelang es den Engländern, an vielen Stellen in unsere vordersten Gräben einzudringen, während die Franzosen gar bis zu den äußersten Rändern der Dörfer Hardecourt und Curlu vorstießen und in der folgenden Nacht letzteres Dorf ganz in ihren Besitz brachten. In dem Abschnitt südlich der Somme fielen den Franzosen unsere vordersten Stellungen in der ganzen Breite des Abschnittes zwischen Somme und der Römerstraße in die Hand, und auch der Ortschaften Dompierre, Becquincourt, Bussus und Fay konnte sich der Feind bemächtigen. Wie wenig aber der Gewinn des Tages den Hoffnungen der Engländer entsprach, geht am deutlichsten daraus hervor, daß nach einem Angriffsbefehl, der sich bei einem gefangenen Engländer gefunden hat, schon am ersten Tage die Linie Puisieux -Miraumont - Martinpuich erreicht werden sollte, eine Linie, die auch sieben Wochen später, an keinem Punkt ein feindlicher Soldat - es sei denn als Gefangener - betreten hat.
Während der Nacht vom 1. zum 2. Juli wurde auf deutscher Seite die Artillerie soweit angängig verstärkt. Viele außer Gefecht gesetzte Geschütze holte die hingebende Arbeit ihrer Bedienungsmannschaften noch im Laufe der Nacht aus den verlassenen Batteriestellungen zurück. Auch gelang es ohne Kämpfe und ohne nennenswerten Verlust, Infanterieverstärkungen in die gehaltene Zwischenstellung einzubringen.

 

IV.

Der zweite Tag brachte auf der ganzen Front die Fortsetzung der erbitterten Angriffe. Nördlich der Somme war den Gegnern kein stärkerer Erfolg beschieden, nur wieder hohe blutige Verluste. Südlich des Flusses indessen gelang es uns zwar, Estrées gegen wütende Angriffe zu halten, aber die Dörfer Buscourt, Herbécourt, Assevillers fielen in die Hand des Feindes. In der Nacht vom 2. zum 3. Juli sah sich die rechte Flügeldivision des hier fechtenden Armeekorps genötigt, in die Linie Biaches - Barleux zurückzugehen.
Es sollen nun im folgenden zunächst die weiteren Ereignisse südlich der Somme vom 3. bis 14. Juli betrachtet werden. Hier war am Abend des 3. Juli die Lage die, daß unsere vordere Linie sich von Biaches über die dem Feinde zugewandten Dorfränder von Barleux, Belloy und Estrées nach Soyécourt zog. Durch die Loslösung der rechten Flügeldivision vom Feinde war vor ihrer Front ein Zwischenraum entstanden, in den der Feind nur zögernd vorrückte. Der 3. Juli blieb ohne Infanterieangriffe, doch lagen unsere neuen Stellungen beständig unter schwerstem Artilleriefeuer. Mitten zwischen beiden Fronten lag völlig verlassen das Dorf Flaucourt. Es wurde erst in der Nacht vom 3. zum 4. Juli vom Feinde besetzt. Inzwischen waren hinter dem Südabschnitt erhebliche Verstärkungen an Artillerie und Infanterie eingetroffen; die erstere nahm die neuen feindlichen Stellungen unter scharfes Feuer, die letztere brachte den erschöpften und zurückgezogenen Truppen der vordersten Linie die wohlverdiente Ablösung. Durch Offizierpatrouillen stellten wir fest, daß der Feind sich an den äußeren Rändern von Flaucourt und Assevillers eingrub. Am Abend dieses Tages begannen weitere feindliche Vorstöße auf der Linie Belloy - Estrées - Soyécourt. Der Feind nahm Belloy und stieß weiter nach Süden vor, wurde aber durch Gegenangriff wieder in das Dorf hineingeworfen und auf die Straße Barleux-Berny zurückgedrückt, die noch lange Zeit den Verlauf unserer vorderen Stellungen bezeichnete. Vergebens brach der Feind zwischen Estrées und Soyecourt nach Deniécourt vor und herein, unsere Reserven warfen ihn wieder hinaus. Am äußersten rechten Flügel des Südabschnittes, am Sommeufer, drückte der Feind eine weit vorgeschobene Kompanie auf das rechte Sommeufer zurück, die Weichenden sprengten hinter sich die Sommebrücke bei Halle in die Luft. Im übrigen hielt der rechte Flügel bei Biaches. Noch in der Nacht vom 4. zum 5. Juli scheiterte ein feindlicher Angriff auf Biaches in unserem Sperrfeuer.
Inzwischen waren weitere Verstärkungen eingetroffen. In heftigen Kämpfen um den Besitz von Belloy und Estrées blieb ersterer Ort schließlich in der Hand des Feindes.
So hatte sich in den Kämpfen der ersten fünf Julitage für den Südabschnitt eine neue, rechts stark zurückgebogene Frontlinie gebildet. Sie verlies nunmehr in ihrem Nordteil nördlich der Somme von Hem über die Monacu-Ferme am Südrande von Cléry und Halle entlang bis nach Sainte-Radégonde, der Vorstadt von Péronne, ging dann bei Biaches aus das linke Sommeufer über, umschloß Biaches einschließlich der Ferme La Maisonnette und Barleux, folgte von hier aus der Straße Barleux - Berny bis zur Römerstraße, schwang sich an dieser entlang in weitem Bogen um Belloy herum, dann wieder nördlich, so daß das ganze Dorf Estrées nebst seinem Gürtel von etwa einem Kilometer Breite noch in unserer Hand war, und traf etwa ein Kilometer südlich der Römerstraße wieder auf unsere unerschütterten alten Stellungen.
Die nächsten Tage wurden damit verbracht, die nunmehr festgelegten Stellungen auszubauen und die Verhältnisse neu zu ordnen. Erst am 9. Juli begann eine Reihe von Einzelangriffen. An diesem Tage konnte nach kurzem Trommelfeuer der Feind Biaches, La Maisonnette und Barleux nehmen. Barleux wurde aber sofort durch zwei Kompanien der mecklenburgischen Grenadiere wieder erobert, und eingetroffene Verstärkungen holten am 10. Juli auch La Maisonnette zurück.
Der 11. Juli brachte auf dem gesamten Abschnitt südlich der Somme einen neuen großen Angriff der Franzosen, der indessen abgeschlagen wurde, ebenso wie ein fernerer Angriff auf Barleux.
Am 15. Juli gelang es, Biaches zurückzuerobern, während am 16. Juli die Maisonnetteferme verloren ging und noch Ende August in Händen des Feindes war. Der nördlich der Ferme gelegene Wald fiel ebenfalls am 16. Juli an den Feind, er wurde aber bald wieder genommen. Am 16. Juli waren heftige Angriffe gegen Biaches, am 17. Juli solche gegen Biaches und den Maisonnettewald zu bestehen. Dann trat am 18. und 19. Juli 1916 im Südabschnitt verhältnismäßige Ruhe ein.

 

V.

Während sich dies im Südabschnitt abspielte, hatten im mittleren Abschnitt, zwischen Somme und Ancre, ebenfalls heftige Kämpfe stattgefunden. Wir hatten gesehen, daß es hier den Engländern in den nördlichen zwei Dritteln des Abschnittes am ersten Tag lediglich gelungen war, in die vorderste deutsche Stellung einzudringen und bis zum Rande der Dörfer Mametz und Montauban vorzudringen. Gleichzeitig hatten die Franzosen bis an den Westrand von Hardecourt vorstoßen und südlich noch das Dorf Curlu nehmen können. Ein geringer Erfolg in Anbetracht dessen, daß auch hier eine womöglich noch stärkere Artillerievorbereitung vorausgegangen war bei beispiellosem Einsatz schwerer und schwerster Geschütze. Von nun an wurde in diesem Abschnitt fast ohne jede Unterbrechung gekämpft. Der Feind war fortgesetzt in der Lage, die gleichen ungeheuren Massen von Geschützen aller Kaliber, ferner Minenfeuer und Gasangriffe wirken zu lassen und seiner Feuertätigkeit durch eine Überzahl von Flugzeugen die Richtung zu geben. Auch setzte er bei seinen Infanterieangriffen starke, völlig frische Truppenmassen mit einer rücksichtslosen Menschenvergeudung ein, wie wir sie bisher nur vom östlichen Kriegsschauplatz kannten. Jedoch auch hier für ihn dieselbe Überraschung: nicht zertrümmert hatte die Artillerie die Verteidiger, sondern nur hart gehämmert. Schrittweise, unter furchtbaren Verlusten, drängte die vielfache Übermacht sich wohl bis zum 20. Juli vorwärts, nach diesem Tage aber hat sie trotz grimmigster Kämpfe nur noch an einer einzigen Stelle einen unbedeutenden Gewinn erzielt.
Die langsamen Geländefortschritte des Feindes lassen sich im einzelnen in einer überschauenden Darstellung nicht verfolgen. Ihre Hauptabschnitte werden bezeichnet durch die Dörfer und Waldstriche, welche das Kampfgelände beherrschen.
Die Kämpfe im mittleren Abschnitt zwischen dem 1. und 20. Juli gliedern sich deutlich in den französischen und englischen Anteil. Die Grenze der beiden Frontabschnitte liegt in ihrem allgemeinen Verlauf etwa ein Kilometer südlich der Straße Mametz - Montauban - Guillemont. Den beherrschenden Platz in diesem Abschnitt nimmt das Dors Hardecourt ein. Es wurde nach erbitterten Kämpfen am 3. Juli von den Franzosen erreicht und vom 8. Juli ab behauptet.
Besonders schwierig gestaltete sich die Lage der deutschen Truppen in dem Südteil des französischen Nordabschnittes. Den gegenüber dem südlichen Sommeufer gelegenen Abschnitt hatten wir bekanntlich gleich zu Anfang geräumt. Von hier aus war es dem Feinde möglich, nun unseren linken Flügel nördlich der Somme unter Artillerieflankierung zu nehmen. Aus diesem Grunde wurde das Dorf Hem alsbald unhaltbar und mußte samt den nördlichen vorgelagerten Höhen schon am 5. Juli aufgegeben werden. Im übrigen hielt hingebungsvolle Ausdauer der dort zur Ablösung herangezogenen schlesischen Truppen den nördlichen Sommerand und die Linie Monacu-Ferme bis etwa zur Mitte zwischen den Dörfern Hardecourt und Maurepas im wesentlichen unerschüttert fest. Was unsere Kämpfer gerade hier unter dem von neuem Tag und Nacht auf sie niederrasenden Artilleriefeuer auszuhalten hatten, spottet jeder Beschreibung.
Auch im englischen Abschnitt setzten die Kämpfe immer wieder Tag und Nacht ein. Größere Angriffe auf breiterer Front haben am 10. und 14. Juli stattgefunden. Bis zum 6. Juli schoben die Engländer ihre vorderste Linie bis an den Südrand von Longueval einschließlich des Waldes von Bernafay vor. Wütende Kämpfe entspannen sich um den Besitz des Trôneswäldchens, das neunzehnmal vom Feinde genommen und achtzehnmal wieder verloren wurde, bis er es seit dem großen Angriff vom 14. Juli wirklich seinen Besitz nennen konnte. Gegen Nordwesten dehnten sich die Engländer schrittweise aus, indem sie den heftig umstrittenen Mametzwald und das Dorf Contalmaison um den 10. Juli behaupteten.
Der für den 14. Juli, zu Ehren des französischen Nationalfeiertags, vorausgesehene Angriff beschränkte sich auf den englischen Abschnitt und blieb hier nicht ohne Erfolg für den Feind, der Bazentin-le-Petit und -le-Grand sowie den größten Teil von Ovillers einnahm. Gegen die Mitte des Monats Juli hatten sich die Engländer somit bis zur Linie Südrand von Pozières - Foureauxwald - Longueval - Delvillewald - Westrand von Guillemont vorgearbeitet. Am 17. Juli fiel auch der Rest der Dörfer Ovillers und La Boisselle in ihre Hand. Damit ist aber das Vordringen der Engländer im wesentlichen abgeschlossen geblieben.

 

VI.

Unverzüglich nachdem am 1. Juli die feindliche Absicht einer großen entscheidenden Gesamtoffensive beiderseits der Somme einwandfrei erkannt war, wurden zur Unterstützung und Ablösung der Divisionen, welche den ersten Anprall des Feindes abgefangen hatten, Verstärkungen an Infanterie und Artillerie herangezogen. Aber das Einsetzen dieser Verstärkungen zwischen die bisherigen Grabenbesatzungen und der Aufmarsch der heraneilenden Artillerie wurde dadurch bedeutend erschwert, daß beides mitten im tobenden Gefecht und unter der Einwirkung des rastlos wütenden feindlichen Artilleriefeuers erfolgen mußte, das nicht nur die Kampflinien sondern auch das gesamte Hintergelände absuchte und aus eine Tiefe von mehreren Kilometern Tag und Nacht mit Eisen überschüttete. Auch mußten die neuen Verteidigungslinien verstärkt, die Artilleriestellungen für die Massen namentlich am schweren Geschütz, die nach und nach in das Gefecht eingriffen, erst im Feuer geschaffen werden. Hier gab vor allem die wackere Armierungstruppe wieder einmal Beweise wahrhaft überwältigender Hingebung.
Etwa um die Mitte des Monats war die neue Verteidigungstruppe soweit eingerichtet, daß ihre Einwirkung auf den Gesamtverlauf der feindlichen Offensive sich entscheidend geltend zu machen begann. Schon die Ergebnisse, welche der Feind am 14. Juli im mittleren Abschnitt erzielen konnte, standen nicht im entferntesten im Verhältnis zu seinem Einsatz. Auch ließ sich mit steigender Deutlichkeit erkennen, daß der Feind auf seine erste und eigentliche Absicht, den großen strategischen Durchbruch, immer mehr zu verzichten gezwungen war.
Die Hauptrichtung seiner Angriffe zielte nämlich nicht mehr gegen das Mittelstück der Geländezone; der ganze Abschnitt von Guillemont bis La Maisonnette blieb von jedem stärkeren Druck in östlicher Richtung frei. Statt dessen lassen sich zwei gänzlich auseinanderklaffende Angriffsrichtungen unterscheiden: die Engländer drücken scharf nördlich auf den Abschnitt Thiepval - Longueval, die Franzosen in südöstlicher Richtung auf die Front Barleux - Soyécourt. Diese exzentrischen Angriffsstöße bedeuten den Versuch, die Verteidigungslinie, deren Durchreißung in senkrechter Richtung mißlungen war, nunmehr parallel zu ihrem Verlauf zurückzudrängen, "aufzurollen". Aber auch dieser Versuch ist bei seinen immer wiederholten Erneuerungen unter den schrecklichsten Verlusten der Feinde zusammengebrochen.
Zunächst allerdings rafften Engländer und Franzosen noch einmal alle ihre Kräfte zusammen. Auf der ganzen Strecke von Pozières bis Vermandovillers ging die Artillerie noch einmal ans Werk. Auf der 40 Kilometer langen Front stürmte am 20. Juli der Feind: 17 Divisionen, 200000 Mann rannten an, sollten den Erfolg erzwingen - und rannten doch nur, nutzlos geopfert, in den Tod. Schauerlich gelichtet mußten seine Reihen fast überall zurück. Nur westlich von Hardecourt drückten die Franzosen eine unserer Divisionen in einer Breite von drei Kilometern um 800 Meter aus dem ersten Graben in den zweiten am Westrande von Maurepas zurück. Die Engländer hatten nicht den geringsten Erfolg gehabt. Und doch hatten gerade sie große, ausschweifende Hoffnungen auf die Unternehmung dieses Tages gesetzt; sicher, nunmehr endlich durchzubrechen, hatten sie sogar Kavallerie in großen Massen hinter ihrer Front bereitgestellt, um nachzustoßen. Ein Teil dieser unglückseligen Reiterscharen wurde zur Attacke angesetzt und natürlich von unserer Infanterie wehrlos zusammengeschossen.
Die Engländer haben in ihrem Heeresbericht die Tatsache eines großen gemeinschaftlichen Angriffes überhaupt vollständig verschweigen müssen, die Franzosen haben ihre unbedeutenden Erfolge phantastisch aufgeputzt, um sich über ihre furchtbare Enttäuschung in ihrer Art zu trösten.
Von nun an haben die Feinde in Abständen von wenigen Tagen immer aufs neue versucht, mit Aufgebot ihrer ganzen Angriffskraft unsere jetzt fest ausgebauten Linien zu erschüttern. Am 22., 24., 27., vor allem am 30. Juli setzten jedesmal auf größeren Frontabschnitten nach verschwenderischer Artillerievorbereitung wütende Infanteriestürme ein, deren Gesamterfolg indessen gleich Null gewesen ist. Lediglich die Trümmerstätte des Dorfes Poziéres fiel um den 25. Juli in die Hände der Engländer. Dies ist der einzige Fortschritt, welchen der Feind auf seiner ganzen Front im Laufe des letzten Julidrittels trotz mehrerer Massen anstürme und vieler, Tag und Nacht weiter tobender Einzelangriffe hat erzielen können!
Auch die inzwischen abgelaufenen drei ersten Augustwochen haben keine wesentliche Veränderung der taktischen Lage, sondern nur kleine Frontverschiebungen gebracht. Den Gegnern ist es bei fortgesetzten äußersten Anstrengungen und blutigsten Verlusten nicht gelungen, noch nennenswerte Erfolge zu erzielen.
Einer besonderen Hervorhebung bedürfen indessen die hartnäckigen Kämpfe, deren Ziel der Foureauxwald und das Dorf Longueval am östlichen anschließenden Delvillewald waren. An diesen beiden Punkten haben die Engländer seit Mitte des Monats zu immer wieder neuen verzweifelten Angriffen angesetzt, in deren Verlauf die genannten Stützpunkte mehrfach den Besitzer wechselten. Der Heldenmut, mit dem hier unsere tapferen Magdeburger, Altenburger, Anhaltiner, Torgauer und später die ruhmgekrönten Regimenter der Brandenburger und Sachsen dem wahnwitzigen Anprall vielfacher Überlegenheit und dem Tag und Nacht nicht aussetzenden Hagel schwerer und schwerster Geschosse Trotz geboten haben, kann hier nur mit höchster Bewunderung genannt werden. Er bedürfte einer eigenen Würdigung.

 

VII.

Ein Vergleich der Schlacht an der Somme und der Kämpfe bei Verdun drängt sich auf.
Bei Verdun sind wir die Angreifer, in der Picardie befinden wir uns in der Abwehr. Aber die Verteidigung Verduns, auf deren Hartnäckigkeit die Franzosen so stolz sind und von der sie in aller Welt so viel Wesens zu machen verstehen, stützt sich auf den wuchtigen Rückhalt der stärksten Festung Frankreichs, ihren doppelten Fortgürtel und ein kunstvoll ausgebautes Verbindungsnetz von Feldbefestigungen. Schon das Angriffsgelände an sich bietet durch sein starkes Ansteigen und die tiefen Einschnitte, die es durchziehen, die überragenden Kuppen, die es schützen, dem Angreifer ungleich viel höhere Schwierigkeiten als die leicht gewellte Ebene der Picardie. Unseren Kämpfern an der Somme stand nur ein schmaler Gürtel von Schützengräben zur Verfügung, deren vorderste Linie, als sie nach siebentägigem Trommelfeuer dem Erdboden gleichgemacht war, von der ungeheuren feindlichen Übermacht im ersten Anlauf stellenweise überrannt und damit für die Verteidigung vielfach ausgeschaltet werden konnte.
Was aber das Stärkeverhältnis anlangt, so ist es bekannt, daß bei Verdun die Franzosen uns in einer Überlegenheit gegenüberstanden, die sich an Infanterie zu unserer Stärke wie 2:1 verhielt. Dabei waren wir dort in der Rolle der Angreifer! An der Somme aber stellt sich das Zahlenverhältnis jedenfalls noch weit ungünstiger für uns. Und trotzdem ist der Geländegewinn unserer Feinde im ersten Monat ihrer Offensive noch nicht halb so groß als der unsrige im ersten Monat vor Verdun! (Übrigens mag darauf hingewiesen werden, daß der Geländegewinn, den die Franzosen erzielen konnten, fast doppelt so groß ist als derjenige der Engländer, während die Verluste der ersteren etwa halb so groß sind als die der letzteren.)
Die Schlacht an der Somme stellt selbst gegen die Kämpfe bei Verdun noch eine Steigerung des Einsatzes an Menschen und Munition dar. Sie bildet den Höhepunkt der Kraftentfaltung unserer Feinde und der ganzen bisherigen Kriegsgeschichte. Vergleicht man den Einsatz und die Hoffnungen unserer Feinde mit ihren Erfolgen, so muß sich jedem unbefangenen Beurteiler die Erkenntnis aufdrängen, daß sie unsere Stellung zu erschüttern nicht die Macht besitzen. Zum erstenmal hat das bisher listig geschonte englische Heer gewaltige Verluste erlitten. An den nutzlosen Opfern trägt aber auch diesmal wieder Frankreich weitaus den größten Anteil. Ein weiter blühender Landstrich Frankreichs ist durch die Julikämpfe des Jahres 1916 in eine grausige Trümmerwüste verwandelt worden.

 

Bericht aus dem deutschen Großen Hauptquartier: 
Die Sommeschlacht

 

Berichte aus dem deutschen Großen Hauptquartier 1914-1918

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