Der Weltkrieg am 10. April 1916

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

Karte zu den Kämpfen bei Verdun

 Der deutsche Heeresbericht:

Einnahme von Béthincourt

Über 1100 Franzosen gefangen

Großes Hauptquartier, 10. April.
Westlicher Kriegsschauplatz:
In den gewonnenen Trichterstellungen südlich von St. Eloi wiesen unsere Truppen Wiedereroberungsversuche feindlicher Handgranatenabteilungen restlos ab. Die Minenkämpfe zwischen dem Kanal von La Bassée und Arras haben in den letzten Tagen wieder größere Lebhaftigkeit angenommen.
Auf dem Westufer der Maas wurden Béthincourt und die ebenso stark ausgebauten Stützpunkte "Alsace" und "Lorraine" südwestlich davon abgeschnürt. Der Gegner suchte sich der Gefahr durch schleunigen Rückzug zu entziehen, wurde von den Schlesiern aber noch gefaßt und büßte neben schweren blutigen Verlusten hier 14 Offiziere und rund 700 Mann an unverwundeten Gefangenen, 2 Geschütze und 13 Maschinengewehre ein. Gleichzeitig räumten wir uns unbequeme feindliche Anlagen, Blockhäuser und Unterstände an verschiedenen Stellen der Front aus, so dicht nördlich des Dorfes Avocourt und südlich des Rabenwaldes. Auch bei diesen Einzelunternehmungen gelang es, die Franzosen ernstlich zu schädigen; an Gefangenen verloren sie außerdem mehrere Offiziere, 276 Mann.
Rechts der Maas wurde in ähnlicher Weise eine Schlucht am Südwestrande des Pfefferrückens gesäubert. 4 Offiziere, 184 Mann und Material blieben in unseren Händen.
Weiter östlich und in der Woëvre fanden lediglich Artilleriekämpfe statt.
Im Luftkampf wurde südöstlich von Damloup und nordöstlich von Chateau-Salins je ein französisches Flugzeug abgeschossen. Die Insassen des ersteren sind tot. Je ein feindliches Flugzeug wurde im Absturz in das Dorf Loos und in den Caillettewald beobachtet.
Östlicher und Balkankriegsschauplatz:
Keine Ereignisse von besonderer Bedeutung.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Die Märzschlachten 1916

Berlin, 10. April.
(Fortsetzung des Berichts vom 7. April.)

II.

Die Kämpfe an der Maas stehen im Mittelpunkt der gesamten kriegerischen Operationen seit dem historischen 21. Februar. Alle anderen Kämpfe bilden ihnen gegenüber teils Begleit-, teils Folgeerscheinungen.
An der gesamten Westfront machte sich vor und mit dem Einsetzen unserer Offensive an der Maas eine gesteigerte Gefechtstätigkeit geltend. Besonders ist der Sturm der Sachsen auf die Ville-aux-Bois-Stellung nordwestlich Reims zu verzeichnen, welcher wichtige Artilleriebeobachtungspunkte und in einer Breite von 1400 Meter auf 600 bis 800 Meter Tiefe auch die feindlichen Infanteriestellungen in unsere Hand brachte. In der Champagne versuchten die Franzosen, die am 27. Februar ihnen entrissene Navarinstellung wieder in ihre Hand zu bringen; aber ihren hartnäckigen Bemühungen blieb der Erfolg versagt. Ebensowenig gelang es freilich uns, die am 11. Februar von den Franzosen genommenen Gräben östlich der Champagne zurückzuerobern.
Auch an manchen Stellen der übrigen Westfront tobten Artillerie- und Grabenkämpfe von wechselnder Stärke und Dauer.
Als bedeutsamste Folgeerscheinung der Kämpfe an der Maas verdient aber hervorgehoben zu werden, daß von Armentieres bis Arras und im letzten Drittel des März auch weiter südlich bis zur Somme die französischen Truppen durch Engländer abgelöst worden sind. Eine besondere Regsamkeit haben diese Ersatztruppen indessen nicht entfaltet. Die Engländer haben auch nicht den leisesten Versuch gemacht, auch ihrerseits angriffsweise ihre hartnäckigen französischen Verbündeten zu entlasten.

III.

Um so eifriger haben sich dafür die beiden anderen Bundesgenossen der Franzosen, die Italiener und Russen, bemüht, die Maaskämpfer durch energische Gegenstöße zu unterstützen. Ohne jeden Erfolg.
Vor der deutschen Ostfront waren schon seit dem 10. März Truppenverschiebungen erkannt worden, welche das Bevorstehen großer Angriffe an mehreren Punkten ankündigten. Vom 13. März ab legte sich starkes Artilleriefeuer auf einen großen Abschnitt unserer Verteidigungslinien und steigerte sich stellenweise bis zum Trommelfeuer. Es ließ sich erkennen, daß der Feind durch seine Drahthindernisse nächtlicherweile Gassen geschnitten hatte und daß während des Artilleriefeuers bereitgestellte Reserven in die Front einrückten. Am 18. März begannen die Angriffe.
Sieben größere Einbruchsstellen hatte der Feind sich zum Ziele seiner Vorstöße gesetzt. In dem Abschnitt südlich Dünaburg begann die feindliche Offensivtätigkeit. Die Gegend zwischen Narocz- und Wieszniewsee, dann weiter nördlich die Gegend von Postawy und endlich ein Streifen nördlich Widsy wurden von den Russen vom 18. bis 22. März täglich mit großer Erbitterung angegriffen. Aber nur an einer Stelle, beim Vorwerk Stachowcze südlich des Naroczsees, kam es zu einer unbedeutenden Rückverlegung unserer Front in eine neue Stellung, die dann ohne Wanken gehalten wurde. An allen anderen Punkten scheiterte ein russischer Ansturm nach dem anderen unter furchtbaren Verlusten für den Angreifer.
Aber auch nahe Dünaburg selbst stieß der Feind vor und an drei weiteren Stellen in dem Abschnitt zwischen Dünaburg und Riga bei Jakobstadt und weiter dünaabwärts bei Friedrichstadt - Lennewaden, endlich in Gegend Kekkau und Olai. Auch hier mit gleichem blutigen Mißlingen.
Nach dem völligen Scheitern der Angriffe des 18. bis 22. März führte der Feind frische Truppen heran und begann am 24. und 25. März nach neuer und langer Artillerievorbereitung eine weitere Reihe von Anstürmen auf allen früher berannten Punkten. Sie alle brachen an den folgenden drei Tagen vom 24. bis zum 26. März blutig zusammen. Und in der Nacht vom 26. zum 27. März konnten wir sogar an zwei Stellen, südlich des Naroczsees und südlich Widsy, zum Gegenangriff übergehen und den Feind aus einigen für uns unbequemen Punkten seiner ursprünglichen Front entfernen. Seitdem ist die russische Offensive "eingestellt" - eine Maßregel, die mit der Rücksicht auf das eingetretene Tauwetter recht kümmerlich begründet wird. In Wahrheit ist die große Entlastungshandlung des östlichen Verbündeten völlig ergebnislos und unter beispiellosen Verlusten zusammengebrochen.

IV.

Vergegenwärtigen wir uns nun noch in aller Kürze, daß auch die italienischen Angriffe an der zähen Kraft unserer Bundesgenossen zerschellt sind und daß auch hier die Entlastungsoffensive sich in eine Defensive verwandelt hat, bei welcher die Italiener sehr erhebliche Verluste an Blut und Gelände erlitten haben; daß um Saloniki 300000 Mann Ententetruppen festliegen, ohne bisher einen ernstlichen Vorstoß gegen ihre Belagerung zu wagen; daß Valona eng eingeschlossen ist; daß endlich auf der Kaukasusfront der anfangs erfolgreiche Vormarsch zum Stocken gebracht werden konnte, so muß die Kriegslage am Schlusse des bedeutungsschweren März als hocherfreulich bezeichnet werden. Das Gesetz der Stunde diktieren wir. Die gewaltigen Angriffspläne unserer Feinde sind in hoffnungslose Verwirrung geraten. Frankreichs Reserven sind wahrscheinlich größtenteils an der Maas gefesselt und teilweise schon zerrieben. Seine Hoffnungen auf wirksame Ablenkungshandlungen seiner Verbündeten sind gescheitert; die Lage der Entscheidungskämpfe gestaltet sich von Tag zu Tag bedenklicher für die Verteidigung.
Und während unsere Heere in Ost und West so Großes vollbracht haben, hat auch die Heimat ihren Sieg erfochten. Der Erfolg der vierten Kriegsanleihe läßt die kühnsten Erwartungen hinter sich. Der Zeitpunkt ihrer Ausschreibung im Frühjahr, zu Beginn der Jahresarbeit der Landwirtschaft, war an sich ungünstig; die Ankündigung neuer Steuerlasten und mancherlei andere Umstände ermutigten unsere Feinde in der Hoffnung, die Beteiligung des deutschen Publikums möchte um ein beträchtliches hinter den früheren Kriegsleistungen unseres Volkes zurückbleiben. Und trotzdem haben die Zeichnungen die elfte Milliarde nahezu erreicht. Es kann nicht anders sein: unsere Feinde werden erkennen müssen, daß auch auf geldlichem Gebiete Deutschland nicht zu bezwingen ist.
So bleibt unseren Gegnern nur noch eine kümmerliche Hoffnung: der Aushungerungskrieg, das erbärmlichste und unmenschlichste ihrer Kampfmittel. Die Pariser Verhandlungen beweisen, daß die Feinde die löbliche Absicht haben, uns noch mehr als bisher zu blockieren, uns noch gründlicher als zuvor von aller Zufuhr abzuschließen. Auch dieser teuflische Plan wird scheitern am harten Willen des deutschen Volkes. Immer mehr vervollkommnen sich unsere Methoden der Verwaltung und Verteilung der vorhandenen Lebensmittel. Und der nahe Frühling und Sommer wird unserer vaterländischen Erde unter der sorglichen Pflegschaft der Daheimgebliebenen reiche Schätze entlocken. Unser Volk wird durch Selbstbescheidung und freudiges Ertragen mancher Entbehrung den Kampf der Brüder, die am Feinde stehen, unterstützen, und auch unser Heer wird seine Ansprüche gern ein wenig herabsetzen, um auch hierin der Heimat ein leuchtendes Beispiel frohen Opfermutes zu geben.
Der französische Finanzminister Ribot glaubte neulich aussprechen zu dürfen, daß es schon möglich sei, den Frieden von ferne zu sehen. Auch wir sehen von ferne einen Frieden, aber es ist nicht der Friede des Herrn Ribot. Um diesen unseren deutschen Frieden zu erkämpfen, ist uns keine Schlacht zu lang und hart, kein Opfer zu schwer.

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Caldonazzo von den Italienern in Brand geschossen

Wien,   10. April.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer und südöstlicher Kriegsschauplatz:
Unverändert.
Italienischer  Kriegsschauplatz:
Im Görzischen hielt die feindliche Artillerie die Ortschaften hinter unserer Front unter Feuer. Ein Caproniflugzeug wurde bei seiner Landung nächst Lucinico durch unser Geschützfeuer vernichtet. An der übrigen Front dauern die gewöhnlichen Artilleriekämpfe fort. Im Suganatal schossen die Italiener Caldonazzo in Brand. Auf Riva warfen feindliche Flieger Bomben ab. An der Ponalestraße gelang es dem Gegner, sich in einigen vorgeschobenen Gräben südlich Sperone festzusetzen.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
1)

  

Der 1. Weltkrieg im April 1916

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 4
Nationaler Verlag, Berlin (1916)

 

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