Die Kämpfe zu Lande im Monat April 1916 


Bei Kut el Amara (Irak) gefangene Engländer werden abtransportiert

Bericht aus dem deutschen Großen Hauptquartier vom 13. Mai 1916

I.

Eine Darstellung, die es unternimmt, die kriegerischen Ereignisse zusammenzufassen, die sich während eines bestimmten Kalenderabschnittes, also etwa innerhalb eines Monats, abgespielt haben, trägt eine Gefahr in sich. Sie ist dem Mißverständnis ausgesetzt, als stelle, was rein zahlenmäßig durch den Monatsbeginn und -schluß abgegrenzt ist, auch innerlich ein in sich abgeschlossenes Ganzes dar, während es sich in der Tat doch überall nur um ein in ununterbrochenem Flusse befindliches Werden handelt. Um dieses Mißverständnis auszuschließen, sei hier ein für allemal erklärt, daß Versuche wie der gegenwärtige in keiner Weise dazu bestimmt noch geeignet sind, die dargestellte Entwicklung als ein auch inhaltlich geschlossenes Ganzes zu erfassen.
Das gilt in besonderem Maße für die Kämpfe, die sich im Monat April 1916 abgespielt haben. War es damals im März noch bis zu einem gewissen Grade möglich, ein Bild zu geben, dessen zeitlicher Rahmen eine auch inhaltlich verhältnismäßig abgerundete Entwicklung umschloß , so ist es um die Walpurgismonatswende völlig unmöglich , die kriegerischen Gesamtvorgänge anders denn in einer lediglich zeitlich, also völlig äußerlich begrenzten Zusammenfassung darzustellen.
Diese Vorbemerkung hat insbesondere für diejenige Gruppe von Kämpfen Geltung, die auch bei der Abfassung dieses Berichtes noch im Mittelpunkte des Anteils der ganzen Welt standen; für die Kämpfe um Verdun. Bei ihrer Darstellung konnte schon der Ablauf des Monats März nur eine Gelegenheitsbedeutung haben; für den Verlauf des Monats April gilt das genau im gleichen Maße. Seit nunmehr zwei und einem viertel Monat wütet hier eine riesige Schlacht, die ohne Beispiel in der Weltgeschichte ist, Tag und Nacht mit nur vorübergehend geminderter Heftigkeit fort. Ihr Ende ist auch heute noch nicht abzusehen.
Für die Nordostgruppe der Angriffsarmee, die in den vorausgegangenen Wochen siegreich aus der Woëvre bis zum Steilhang der Côtes Lorraines vorgedrungen war, bedeutete der April einen völligen Stillstand der Operationen. Die Nordgruppe dagegen vom Dorfe Vaux bis zur Maas, vermochte in zähem, wechselvollem Ringen ihre Stellung beträchtlich zu verbessern. Am Abend des 2. April 1916 brachte ein Angriff beiderseits des Forts Douaumont Geländegewinne im Caillettewalde und bis halbwegs zur Ferme Thiaumont. An letzterer Stelle wurde am 17. April noch ein weiterer gewichtiger Fortschritt erzielt: die französische Stellung auf der Bergnase nördlich der Ferme, die schon seit dem Beginn der Kämpfe um Fort und Dorf Douaumont eine schwere Bedrohung für unser Vorgehen und für das Festhalten des Erkämpften gewesen war, wurde durch einen kräftigen Angriff aus dem Albainwalde heraus erobert. Weiter westlich wurde der Albainwald bis an den Weg Bras-Douaumont gesäubert, anschließend wurde der Feind von der Höhe des Pfefferrückens in die Mulde östlich Vacherauville geworfen. Alle diese Errungenschaften wurden einem zähen Widerstande der Franzosen abgetrotzt und mußten alsbald gegen wütende Gegenangriffe gehalten werden.
Während so auf dem östlichen Maasufer im ganzen Monat April in beständigem schweren Ringen schon ganz erhebliche Verbesserungen der deutschen Stellung erzielt werden konnten, haben die Operationen auf dem Westufer im Verlaufe von heftigen, mit wechselndem Erfolge hin und her wogenden Kämpfen den deutschen Waffen hochbedeutsame Fortschritte gebracht. Nach der Erstürmung des Waldes von Avocourt war zwischen dessen Ostspitze und der Höhe 265 südöstlich Béthinconrt (Nordwestzipfel der Toten-Mann-Stellung) noch ein weit in die deutschen Stellungen vorspringendes Geländestück, die vielberufene "Sackstellung", in Händen des Feindes geblieben. Von dieser wurde ihm nun während des April in rastlosem Vordringen ein Stück nach dem anderen entrissen. Nachdem schon am 30. März der westliche Stützpunkt, das Dorf Malancourt, in deutsche Hände gefallen war, verlor der Feind am 1. April seine Linien nordöstlich dieses Dorfes und zwei Tage später seine sämtlichen Stellungen nördlich des Forgesbaches, ausschließlich des Dorfes Béthincourt. Am 5. April fiel das einen südöstlichen Ausläufer von Malancourt bildende Dorf Haucourt und am 9. April auch der rechte Flügelstützpunkt, das Dorf Béthincourt selbst. Am 10. April stürmten wir noch die Werke "Elsaß" und "Lothringen" südwestlich Béthincourt und hielten damit die ganze erste französische Stellung von Haucourt bis zur Höhe 265 in Händen. Schon am Tage vorher hatte ein Angriff an der "Mort Homme- Stellung" auch die südöstliche Kuppe des auf der französischen Karte als "Mort Homme" ("Toter Mann") bezeichneten doppelgipfligen Höhenrückens in unsere Hände gebracht und damit dem französischen Preßgezänk über die Frage, ob die Deutschen oder die Franzosen den "Mort Homme" besäßen, ein Ende bereitet. Ferner fiel ein Stützpunkt nördlich des Dorfes Cumières in deutsche Hand.
Alle gewonnenen Geländestücke mußten gegen heftige Gegenangriffe gehalten und im stärksten feindlichen Feuer ausgebaut werden. Am 22. April setzte die Westgruppe zu einem neuen Stoß an und warf den Feind auch vom Westabhang der Höhe 295 "Toter Mann", auf dem er sich bisher noch hatte halten können, bis zum Bachabschnitt südlich Cumières zurück. Dafür gelang es dem Feind am 23. April, im Verlauf heftiger Gegenangriffe, einige Grabenstücke am Ostabhang der Höhe 295 zurückzugewinnen, die ihm aber am 25. April wenigstens teilweise wieder entrissen werden konnten. Auch während der letzten Apriltage hat der Feind seine Gegenangriffe an dieser Stelle heftig erneuert, allerdings ohne wesentlichen Erfolg.
Zusammenfassend ist über den Stand der Kämpfe bei Verdun folgendes zu sagen: Der deutsche Angriff auf das Festungsgebiet um Verdun hat die Franzosen gezwungen, ganz außerordentliche Kräfte zur Verteidigung heranzuziehen, insbesondere auch sehr bedeutende Artilleriemassen. In vorderster Linie waren bis Ende April 1916 auf der engen Frontbreite von wenig mehr als 40 Kilometern über 40 Divisionen eingesetzt worden. Die Kräfte allein, die hier mit der deutschen Kampffront in unmittelbare Berührung getreten sind, betragen also mehr als 20 Armeekorps. In Reserve waren noch weitere Divisionen zu vermuten. Daß angesichts einer solch massenhaften Zusammenziehung von Verteidigungsmitteln ein Verlangsamen des deutschen Vordringens mit Notwendigkeit eintreten mußte, liegt auf der Hand. Die französische Heeresleitung und Presse gefielen sich fortdauernd darin, von einer deutschen Schlappe bei Verdun zu reden und zu funken. Die deutsche Öffentlichkeit kennt seit Beginn des gegenwärtigen Krieges, wie aus der Geschichte der früheren, diese krampfhaften Versuche der Franzosen, ihre Niederlagen in Siege umzudichten. Die deutschen Erfolge in den ersten Maitagen 1916 dürften genügend sein, selbst einen zum krampfhaftesten Selbstbetrug entschlossenen Optimismus zu erschüttern und der Welt den Beweis zu liefern, daß die deutsche Angriffskraft so wenig erschüttert war wie der deutsche Angriffswille.

 

II.

Im Vergleich zu den Kämpfen beiderseits der Maas treten die kriegerischen Ereignisse in allen übrigen Abschnitten der Westfront in den Hintergrund. Dennoch herrscht auf großen Teilen der Front alles andere als Ruhe, vielmehr eine ingrimmige ununterbrochene Kampftätigkeit, wenn auch mit örtlich begrenzten Zielen. Hervorzuheben ist, daß es in der Umgegend von Ypern zu heftigeren Kämpfen mit den Engländern gekommen ist. Die "Eloi-Stellung", welche durch einen überraschenden Angriff in den Besitz der Briten geraten war, wurde ihnen am 6. April wieder entrissen und gegen alle Gegenangriffe behauptet. Am 24. April gab auch die englische Flotte einmal wieder ein Lebenszeichen: sie unternahm es, sich vor der flandrischen Küste zu betätigen, um Minen und Sperren zu legen. Aber dieser Versuch wurde beim Auslaufen der deutschen Flotte rasch aufgegeben, worauf deutsche Torpedo- und Vorpostenboote die Küste säuberten. Im übrigen beschränkten die Engländer ihre Tätigkeit längs der ganzen, von ihnen jetzt gehaltenen Front auf Artilleriekämpfe, Sprengtätigkeit und Patrouillenunternehmungen. Irgend etwas Ernstliches zur Entlastung ihrer hart ringenden Verbündeten haben sie auch im April nicht unternommen.
Aus der Tätigkeit der übrigen Abschnitte der Westfront ist noch hervorzuheben, daß eindeutscher Vorstoß nördlich Celles (bei Badonviller, ungefähr 15 Kilometer jenseits der deutschen Grenze aus der Höhe von Straßburg) zwei französische Linien in deutschen Besitz brachte, während es andererseits den Franzosen gelang, ein vorspringendes Waldstück der ihnen im März entrissenen Ville-aux-Bois-Stellung (nordwestlich Reims) zurückzugewinnen.

 

III.

Während der März die große russische Entlastungsoffensive und auch sehr energische italienische Angriffsversuche gebracht hatte, haben im April nur die Italiener ernstliche Unternehmungen versucht. Und zwar ist hier hervorzuheben, daß ihr Druck gegen die Isonzofront nachgelassen hat, während sie auf der ganzen Tiroler Front eine erhöhte Tätigkeit entwickelt haben. Indessen sind auch hier wirklich merkliche Verschiebungen der Linien nicht erzielt worden. Zwar mußte die österreichische Stellung am Col di Lana infolge einer seit Monaten vorbereiteten Sprengung geräumt werden. Aber trotz größter Anstrengung ist es den Italienern auch hier nicht gelungen, weitere Fortschritte zu erzielen. Andererseits wurden sie im Suganatal aus dem Ort Marter und mehreren hintereinander liegenden, gut ausgebauten Stellungen bis zum Westrande von Roncegno zurückgeworfen.
Die Russen dagegen blieben nach dem Zusammenbruch ihrer Märzoffensive vor der ganzen Front der deutschen wie der südlich anschließenden österreichisch-ungarischen Armeen fast völlig ruhig. Nur westlich Dünaburg und südlich des Narocz-Sees unternahmen sie örtlich beschränkte, übrigens völlig erfolglose Vorstöße.
Dagegen ist es den Deutschen gelungen, selbst den belanglosen Geländegewinn, den die Russen als einzigen Erfolg ihrer mit stärkstem Kräfteeinsatz und ungeheuren Blutopfern unternommenen Entlastungsoffensive in Händen behalten hatten, zurückzuerobern. Am 28. April 1916 haben die tapferen deutschen Truppen den bei den Märzangriffen verlorenen Teil ihrer ehemaligen Stellung südlich des Narocz-Sees, den die Russen aufs stärkste ausgebaut hatten, in einem wuchtigen Angriff zurückerobert. Selbst die erste Linie der ursprünglichen russischen Ausgangsstellung kam in deutschen Besitz. Die Beute an Gefangenen und Kriegsmaterial war groß.

 

IV.

Das Saloniki-Unternehmen der Entente war noch immer nicht über die Besitzergreifung einer völlig wehrlosen neutralen Hafenstadt und die dauernde schwere Kränkung und Vergewaltigung eines neutralen Landes hinausgelangt. Das bunte Truppengemisch, das sich auf griechischem Boden angesiedelt hatte, gab bisher keine merklichen Zeichen kriegerischen Betätigungsdranges. Einen einzigen Fortschritt hatten die Feinde der Mittelmächte zu verzeichnen. Mit starker zahlenmäßiger Überlegenheit griffen die Russen die türkischen Verbündeten Deutschlands in Armenien an. In der Flanke von der See her durch russische Landungstruppen gefaßt, mußten die Türken nach tapferer Gegenwehr dem Feinde Trapezunt überlassen. Einem weiteren Vordringen der Russen in Armenien haben sie indessen Einhalt gebieten können.
Eine reiche Entschädigung für diesen unleugbar empfindlichen Verlust haben die Osmanen in Mesopotamien erkämpft. Die seit rund fünf Monaten in Kut-el-Amara eingeschlossene Armee des Generals Townshend hat sich, da alle Entsatzversuche (auch nach einem Wechsel in der Person des Oberbefehlshabers der Entsatzarmee) fehlschlugen, am 29. April 1916 den Belagerern ergeben müssen. Es ist überflüssig, die ungeheuere Tragweite dieser glänzenden Waffentat hier näher zu beleuchten. Verzeichnen wir noch ein siegreiches Gefecht östlich des Suezkanals vom 23. April 1916, bei dem die Türken englischer Kavallerie starke Verluste zufügten, so ist festzustellen, daß die Lage der türkischen Verbündeten der Mittelmächte, im ganzen genommen, einen entscheidenden Aufschwung genommen hatte.

 

V.

Der Sieg der Türken über die Engländer im fernen Südosten war die wesentlichste Veränderung der Gesamtlage, die der Monat April gebracht hat. Alle anderen Erfolge hüben und drüben sind teils rein örtlicher Natur, teils stellen sie sich lediglich als Glieder einer noch keineswegs abgeschlossenen Entwicklungsreihe dar. Immerhin ergibt sich aus unseren Betrachtungen klar dies eine: daß nämlich die zu Beginn des April bereits vollkommen befriedigende Gesamtlage während des Monats noch erhebliche Verbesserungen erfahren hat. Der Verlust Trapezunts wurde durch den entscheidenden Schlag von Kut mehr als reichlich ausgeglichen. Bei Verdun waren die Deutschen in rastlosem Fortschreiten, auf allen anderen Frontabschnitten hatte sich die Lage zum mindesten nicht verschlechtert.
Noch standen den Feinden der Zentralstaaten als Ausrichtungsmittel die kleinen Geschenke der Freundschaft zu Gebote: die überaus dekorative Landung russischer Truppen in Marseille, die unausgesetzten gegenseitigen Besuche, Tischreden, Begrüßungs- und Beweibräucherungstelegramme. Neben dieser emsigen Tätigkeit, die ja freilich für kriegerische Erfolge einen etwas mageren Ersatz bildet, ging das krampfhafte und verräterische Liebeswerben um die Gunst der dem Kriege bisher ferngebliebenen Staaten, bei denen man gleichzeitig die Mittelmächte mit den alten, abgenutzten Mittelchen zu verleumden suchte. Deutlicher noch als vielerlei Anzeichen aus dem innerpolitischen Leben der Entente enthüllte dieses emsige und demütige Umschmeicheln der Neutralen die immer deutlicher sich abzeichnende Erkenntnis unserer Feinde, daß sie fürchteten, ihr Spiel zu verlieren und alle Mittel zu einer Wendung zum Besseren versuchten. Wir haben das nicht nötig. Was wir haben, das halten wir und mehren es noch täglich. Wir können gelassen der Stunde warten, da die jetzt schon langsam aufdämmernde Einsicht unserer Feinde zur augenblendenden Klarheit werden wird.

 

Berichte aus dem deutschen Großen Hauptquartier 1914-1918

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